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Landeshauptstadt: Die Rückkehr des Burgherren

Potsdams Biber breiten sich aus – nach der Nuthe gibt es nun auch ein Revier im Templiner See

Von Peer Straube

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Potsdams Biberpopulation wächst und erobert neue Lebensräume. Nach den bereits bekannten Wassernagern aus der Schlaatzer Nuthe hat Potsdams emsigster Biberforscher Burghard Sell nun auch ein Revier im Templiner See, in der Nähe des Bahndamms, ausgemacht. Ein weiteres vermutet er am Drewitzer Silbergraben. Bestätigt sich der Verdacht, gibt es in der Landeshauptstadt inzwischen vier Biberpopulationen – die älteste befindet sich am Königswald, reicht von der B 273 bis nach Nedlitz und greift auch auf Berliner Territorium über.

„Potsdam wird langsam zugebibert“, sagte Sell gestern bei einem glänzend besuchten Vortrag im Haus der Generationen und Kulturen im Milanhorst. Wie viele Tiere es in Potsdam gibt, kann aber auch Sell nur schätzen. Durchschnittlich fünf lebten in einem Revier – zumindest gelte dies für die Nagerfamilie, die am Nutheufer siedelt. Im Templiner See vermutet Sell derzeit nur einen.

Doch die Rückkehr von Castor fiber albicus – der lateinische Name für den Elbebiber – bereitet manchem auch Verdruss. Jörg Näthe, Chefgärtner der Freundschaftsinsel, haben die offenbar hungrigen Pelztiere in diesem Winter bereits sämtliche zur Buga gepflanzten Staudenweiden zurechtgestutzt. Doch auch an Größeres wie die Pyramidenpappeln haben sie sich schon gewagt. Im gesamten Bereich der Neuen Fahrt hat Näthe nun schon Drahtgeflechte zum Schutz der Bäume anbringen lassen.

Denn so ein Biber hat eine recht beachtliche Reichweite. Als zweitgrößtes Nagetier der Welt nach dem südamerikanischen Wasserschwein Capybara erreicht er ein Maximalgewicht von 35 Kilogramm und eine Größe von 1,35 Meter – den Schwanz, auch Kelle genannt, eingerechnet. Zur Bestürzung Näthes zeigte Sell Bilder von zwei bis zur Höhe von einem Meter abgenagten Bäumen. Über 100 Jahre hinweg seien hier Kulturlandschaften und Gärten angelegt worden, ohne dass man den Biber auf der Rechnung hatte, sagte Näthe. Auch die Freundschaftsinsel sei ja zur Bundesgartenschau an den Ufern renaturiert, also von den Betoneinfassungen befreit worden. Inzwischen brüten dort wieder Wasservögel. Aber es fressen eben auch Biber. „In diesem Jahr geht es gerade noch so“, bilanzierte der Inselgärtner den Schaden, prophezeite jedoch, die Tiere würden „nicht überall willkommen sein“.

Vielleicht beruhigt es Näthe, dass der Einzugsbereich des Bibers sich in der Regel auf einen zehn Meter breiten Streifen ab dem Ufer beschränkt. Zumindest ist damit klar, wie groß das „Biberabwehrterritorium“ sein soll. Der Mensch werde sich mit der Rückkehr des „Burgherren“ arrangieren müssen, meint hingegen Sell. Ohnehin nicht als besonders scheu geltend, seien in der Stadt geborene und aufgewachsene Biber von beeindruckender Resistenz gegenüber Lärm und anderen humanoiden Aktivitäten.

Die Schlaatzer jedenfalls sind stolz auf ihre Attraktion. Die gegenüber den Sportplätzen ansässige Biberfamilie profitiert jedenfalls auch von der Anwesenheit des Menschen. Als die Tiere ihre Burg ausbauten, verwendeten sie nämlich auch allerlei nützliche Überbleibsel der Zivilisation. Amüsiert gab Sell zum Besten, wie er bei der letzten Visite feststellte, dass selbst ein Einweckglas und verschiedene Plastiktüten und -folien zur Abdichtung des Baus benutzt wurden. Peer Straube

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