
© Andreas Klaer
Interview: Die sagen nur immer, wie es nicht geht"
Ein Interview mit dem Ortsvorsteher von Grube und Nattwerder, Stefan Gutschmidt, anlässlich von 20 Jahren Eingemeindung nach Potsdam.
Stand:
Herr Gutschmidt, was ist gut gelaufen, seit Grube zu Potsdam gehört?
(Pause) Können wir mit einer anderen Frage anfangen?
Ich weiß, dass es Fachbereiche der Stadtverwaltung gibt, die Sie schätzen.
In gewissen Bereichen gibt es nette und kompetente Ansprechpartner – etwa im Grünflächenamt – die sich konstruktiv um eine Lösung der Probleme bemühen, die man auf kurzem Weg erreicht, die begriffen haben, dass Grube seit 20 Jahren zu Potsdam gehört und nicht noch nachfragen: Ist Grube wirklich ein Teil von Potsdam? Positiv ist auch, dass die Stadt nun versucht, den ländlichen Raum durch Rad- und Straßenausbau besser zu erschließen.
Welche Probleme gibt es im Ortsteil?
Generell werden ja die bestehenden Gebäude durch die derzeitige Generation genutzt. Doch wenn man als junger Mensch eine Familie gründen will, ist im elterlichen Haus zunächst kein Platz dafür, so dass man gezwungen ist, selbst neu zu bauen oder sich eine Wohnung zu nehmen. Doch da Wohnungen in Form von Wohnblöcken in Grube nicht vorhanden und Bauflächen knapp sind, sind viele gezwungen, wegzuziehen. Die Leute ziehen nicht nur in die Mitte von Potsdam sondern auch nach Potsdam-Mittelmark. Dort gibt es Bauflächen und Wohnungen zu erschwinglichen Preisen.
Sie plädieren für eine liberalere Baupolitik für Grube?
Wir haben in den letzten Jahren vermehrt versucht, für den Bereich am Küssel eine Lückenbebauung zu bekommen und im Bereich Nattwerder den vorhandenen Bestand einer Umnutzung zu zuführen. Immer ist es daran gescheitert, dass der Paragraph 35 Baugesetzbuch – Bauen im Außenbereich – dagegen spricht. Wir haben einen Altbestand an Gehöften, den man ausbauen könnte, wo aber die baurechtlichen Hürden so hoch sind, dass es für die Leute unmöglich erscheint.
Welche Hürden sind das?
Es gibt da Vorschriften, die die Quadratmeterzahl an Wohnfläche begrenzen, man muss Nebengelasse vorweisen können, Landschaftsschutzgebiet usw.. Wer aber nur ein Gebäude zum Wohnumbau hat, kann nicht noch ein Nebengelass lassen, ein Geräteschuppen oder eine Garage. Bei größeren Freiflächen wäre es zudem durchaus möglich, Gebäude zu integrieren, die sich in die Landschaft einfügen. Das ist aber derzeit überhaupt nicht möglich. Seitens der Verwaltung ist es nicht möglich, sich an einen Tisch zu setzen und nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Die sagen nur immer, wie es nicht geht, nicht, wie es gehen könnte. In den ersten fünf Jahren seit der Eingemeindung der neuen Ortsteile, von dem auch Grube profitert hat, ging noch vieles leichter. Da war die Verwaltung mehr bemüht, jetzt ebbt es mehr und mehr ab.
Woran machen Sie das fest? Was ist der Grund dafür? Was denken Sie?
Vielleicht hängt es mit dem höheren Verwaltungsaufwand zusammen. Es ist eine Frage der Kapazitäten, die eher auf Großprojekte gelenkt werden anstelle auf die kleinen Ortschaften wie Grube.
Ein Ortstermin in Nattwerder ist mit mindestens einer halben Stunde Fahrzeit zu kalkulieren.
Richtig. Dann hat man mit den Leuten ein bis eineinhalb Stunden zu tun – und letztendlich ist es ein banales Problem, das da gelöst werden muss. Wenn die Bearbeiterin diese Zeit in ein Großprojekt einplant, kriegt sie natürlich wesentlich mehr bewegt.
Was muss sich ändern?
Die Verwaltungsmitarbeiter sollten mehr auf die Bedürfnisse der kleinen Ortsteile eingehen und wirklich erkennen lassen, dass die kleinen Ortsteile wirklich zum Stadtgebiet gehören. Und nicht nur als kleine Anhängsel, die man mit Zugeständnissen abspeist.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – wie bei dem Märchen mit dem Geist aus der Flasche – was würden Sie sich wünschen für Ihren Ortsteil?
Ich habe mehrere Wünsche. Ein großer Wunsch ist, dass der Lkw-Verkehr aus der Ortslage heraus kommt. Dass die Brücke über die Wublitz und die Brücke über die Eisenbahn Richtung Bornim hergerichtet werden, dass die Landesstraße von Grube nach Bornim ausgebaut wird, so dass sie auch befahrbar ist. Und dass wir in Grube einen moderaten Wohnraum schaffen, der jüngeren Leuten ermöglicht, in Grube wohnen zu bleiben, aber Grube nicht in Dimensionen wachsen lässt, wie das in anderen Ortsteilen passiert. Neue Wohngebiet wie etwa Schmidtshof sollte es nicht mehr geben.
Ihre Forderung nach liberalerer Auslegung des Paragraph 35 Baugesetzbuch ist keine Forderung nach neuen Wohnsiedlungen?
Auf keinen Fall.
Wenn Sie verreist sind, sagen Sie dann, Sie kommen aus Grube oder Sie kommen aus Potsdam?
Ich sage, ich komme aus Grube.
Dann müssen Sie aber immer erklären, wo das liegt.
Ich sage die Postleitzahl – 14469 – und damit ist zumindestens in Potsdam alles gesagt.
Sie sind Sie mit den Mitwirkungsmöglichkeiten des Ortsbeirates einverstanden?
Wir haben ja kein Mitspracherecht sondern nur ein Anhörungsrecht. In der Stadtverordnetenversammlung dürfen wir Ortsvorsteher zu Belangen der jeweiligen Ortsteile reden, aber wir sind nicht abstimmungsberechtigt. Bei der Hundesteuer entscheiden also die Abgeordneten aus der Innenstadt, wie teuer ein Hund zu sein hat – dabei sind Hunde im ländlichen Raum doch häufiger. Teilweise wird uns aber – so ist die Realität – sogar das Anhörungsrecht verwehrt, so dass man mit dem Verwaltungsgericht drohen muss. So geschehen beim Bau des Radweges (Schwarzer Weg), abgekoppelt mittels Leitplanke von der Wublitzstraße, wo wir hätten beteiligt werden müssen. Bei Fragen der Lage der Querungsinseln oder auf welcher Seite der Straße der Radweg entlang der Landesstraße (L902) überhaupt geführt wird. Letztlich erhielten wir notdürftig ein Anhörungsrecht dank Einwirken des Oberbürgermeisters. Aber die Notwendigkeit, uns anzuhören, muss von vornherein erkannt werden. Das ist auch Gegenstand der Arbeit der Ortsbeiräte. Ansonsten brauchen wir den ganzen Aufwand hier nicht zu betreiben.
Das Interview führte Guido Berg
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