Landeshauptstadt: Die Schülerbewegung
Gesundheitstag: Der Aktionsdrang von Kids ist groß, Vereinssport teuer. Jetzt plant man Patenschaften
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Über hundert Mal Seilspringen in der Minute wie nix, flugs die Kletterwand hochgezogen und abgeseilt, den Rollstuhl-Parcours bestanden, Zähne geputzt, gerochen, getastet, getrampelt Der Aktionsdrang der Siebt- bis Zehntklässler ist kaum zu stillen, wie sich am gestrigen Schülergesundheitstag im Malteser Treffpunkt Freizeit zeigte. Die Stände, wo es was zu tun gab, waren mächtig belagert.
„Wer sich bewegt, achtet auf seinen Körper“, sagte Jacqueline Schubert von der Awo-Suchtberatung. Gerade in der Pubertät ein wichtiges Thema. „Bewegung, Aktivität, Miteinander“ lautete das Motto des Gesundheitstages. Um so trauriger, dass Sporttreiben im Verein immer teurer und damit gerade für Kinder aus sozial schwachen Familien nahezu unmöglich sei, beklagte die Suchtberaterin, auch gegenüber der Sozialbeigeordneten Elona Müller (parteilos), die von der Linkspartei.PDS-Abgeordneten Jana Schulze begleitet wurde. Die städtische Sportförderung solle von den Vereinen so genutzt werden, dass Kinder von Hartz-IV-Empfängern nur noch einen symbolischen Beitrag von ein, zwei Euros zahlen müssten, schlug die Beigeordnete Müller vor. Jana Schulze, Mitglied in Jugendhilfe- und Sozialausschuss, regte Patenschaften zur Förderung sportbegeisterter Kinder aus armen Familien an. Die Koordination dafür könne der Leiter der Stadtsportjugend übernehmen, nahm der Vorsitzende des Stadtsportbundes, Lutz Henrich, die Idee auf. Er verwies gegenüber den PNN aber auch darauf, dass bereits viele Vereine gestaffelte Beiträge hätten, um auf die sozialen Unterschiede ihrer Mitglieder reagieren zu können. Dennoch: Der monatliche Durchschnittsbeitrag für Kinder läge bei den insgesamt 140 Potsdamer Sportvereinen bei zehn Euro, erklärte die Geschäftsführerin des Sportbundes, Anne Pichler. Bei vielen Sportarten wie Fechten oder Flossenschwimmen kämen auch noch teure Ausrüstungen und Startgelder bei Wettkämpfen hinzu. Damit seien sozial Schwache von solchen Sportarten praktisch ausgeschlossen, so die Geschäftsführerin. Sie beklagte auch die in diesem Jahr gekürzte Sportförderung der Stadt auf 161100 Euro. „Nicht gerade viel für über 21500 Mitgliedern, darunter mehr als 7000 Sporttreibende im Alter bis 18 Jahre“, sagte Pichler. Der Stadtsportbund versuche dennoch, das Geld vor allem in den Kinder- und Jugendsport zu investieren. Immerhin stelle die Stadt sämtliche Sportstätten den Vereinen nahezu kostenlos zur Verfügung, sagte Henrich. Da sei Potsdam im Städtevergleich großzügig.
Auch der Schülergesundheitstag hat Vorbildcharakter. Bereits 1994 fanden die ersten Tage im Zeichen der Kindergesundheit im Treffpunkt Freizeit statt, wie sich Elisabeth Tänzler, Leiterin des Hauses, erinnerte. Aus anfänglich einer Woche Aktion in der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung wurde im Laufe der Jahre ein Gesundheitstag. Den besuchten gestern rund 600 Schülerinnen und Schüler. 23 unterschiedliche Anbieter – Vereine, Beratungsstellen und Krankenkassen – boten Standaktionen und Workshops an. Selbsterfahrung als Lehrmeister: neben vielen Bewegungsarten konnten die jungen Besucher auch ihre Sinne schärfen. Einige Organisationen hatten Tests für Ohren, Augen und Tastsinn vorbereitet. Ausgepowert und glücklich stolperten am Ende die Kids aus der Freizeiteinrichtung. Am nächsten Tag müssen sie wieder stundenlang die Schulbank drücken.
Nicola Klusemann
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