ZUR PERSON: „Die Situation ist sehr ernst“
„Wir erhoffen uns von der neuen Halle auch eine neue Fankultur.“ „Es ist wichtig, dass die kleinkarierten Diskussionen aufhören.“ Lutz Henrich, Vorsitzender des Stadtsportbundes, über Erfolge, Sorgen und Vorhaben im Potsdamer Sport
Stand:
Herr Henrich, was erhoffen Sie sich als Vorsitzender des Stadtsportbundes Potsdam vom gerade begonnenen Jahr?
Dass wir im Ehrenamt weiter vorankommen. Wir benötigen in den Sportvereinen viele ehrenamtliche Helfer, vor allem für den Nachwuchssport, damit die Kinder und Jugendlichen ihre Freizeit sinnvoll und mit Spaß am Sport verbringen können.
Woran vor allem denken Sie mit einem Blick zurück auf 2011?
Beispielsweise daran, dass wir erstmals die 25 000-er Grenze bei unseren Mitgliedern übersprungen haben. Erstmals in der Geschichte des Stadtsportbundes ist es dabei gelungen, dass im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte aller neuen Mitglieder – nämlich 674 von 1201 – weiblich sind. Es ist bundesweit und auch für uns eine ganz wichtige Zielstellung, mehr Mädchen und Frauen für den regelmäßigen Sport zu gewinnen. Derzeit treiben 25 513 Mitglieder in 153 Vereinen Sport. Und da sich die Stadt Potsdam dazu verpflichtet hat, dass wir für jeden Sportler 10 Euro für die Sportförderung erhalten, planen wir für 2012 mit 255 130 Euro von der Stadt. 9,51 Euro pro Mitglied haben wir im vergangenen Jahr erhalten – die Stadt kann ruhig noch etwas dazulegen.
Womit wir beim lieben Thema Geld wären. Zahlreiche Sportvereine sorgen sich um die finanzielle Unterstützung ihrer Aktivitäten, seitdem das Sponsoring für den Sport in Potsdam durch bestimmte Diskussionen in der Öffentlichkeit den Hauch des Unseriösen befürchten muss. Sehen Sie die Situation auch so ernst?
Ja. Die Situation ist sehr ernst, weil für viele Vereine Sponsorengelder wegfielen. Und das nicht, weil im Leistungssport entsprechende Erfolge fehlten oder weil Sportvereine krumme Sachen machten, sondern weil der Ruf des Sports durch einige Geschehnisse in der Stadt beschädigt wurde. Es ist wichtig, dass wir wieder zur Normalität zurückkehren und dass vor allem durch die städtischen Betriebe anerkannt wird, dass der Sport ein wichtiger Teil der Kultur der Stadt Potsdam ist und auch finanziell angemessen gefördert werden muss. Deshalb sollen die kleinkarierten Diskussionen aufhören und soll prinzipiell anerkannt werden, welche wichtige gesellschaftliche Rolle der Sport in der Stadt Potsdam spielt – bei der Förderung der Gesundheit, bei der Vermittlung von Toleranz und Fairness, bei der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen. Außerdem wollen wir weiterhin unter dem Motto „Potsdam bekennt Farbe“ zeigen, dass in den Sportvereinen kein Platz für rechtsradikales Gedankengut ist.
Kann der Stadtsportbund den Vereinen helfen?
Wir haben der Transparenzkommission der Stadt angeboten, Vorschläge dafür zu machen, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen für Sponsoring-Leistungen für Sportvereine gezogen werden sollten. Leider sind wir als Stadtsportbund zu dieser Frage nicht gehört worden.
Hat die von der Stadt Potsdam eingesetzte Transparenzkommission, die 300 000 Euro gekostet hat, Ihrer Meinung nach etwas gebracht?
Wir hatten große Erwartungen an die Transparenzkommission, denn wir erhofften uns eine Klarstellung, dass eine ordentliche Buchführung erfolgt, dass es keine Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen der Sportvereine gibt und dass daraus auch die Schlussfolgerungen gezogen werden, wie Sponsoring durch die städtischen Betriebe in Potsdam in Zukunft erfolgen soll. Aber leider wurden weder wir noch ein Sportverein einmal eingeladen und nach unserer Meinung gefragt, obwohl wir das angeboten hatten. Es ist daher kritisch zu bewerten, welche geringe Rolle der Sport in der Erarbeitung der Schlussfolgerungen gespielt hat. Deshalb hatten wir im November zu einer Leistungssportkonferenz eingeladen, wo ausführlich und öffentlich darüber berichtet wurde, wie die Situation der gefährdeten Vereine ist. Wir hoffen, dass deren Sorgen ernst genommen werden.
Neben ausbleibenden Sponsoren-Geldern fehlen künftig auch 200 000 Euro aus Hauptstadtmitteln. Kann der Stadtsportbund so künftig noch seine Aufgaben als Dienstleister für die Sportvereine erfüllen?
Ich denke, ja. Wir haben in ersten Gesprächen mit der Stadt ein positives Signal der Sportdezernentin, Frau Magdowski, erhalten, dass nach Möglichkeiten gesucht wird, diesen Ausfall durch städtische Mittel zu kompensieren. Ich denke, dass die Bedeutung dieser Mittel für die Sportvereine und für wichtige Sportveranstaltungen in der Stadt allen klar ist. Auch durch viele Stadtverordnete haben wir signalisiert bekommen, dass die städtischen Gelder beispielsweise für den Schlösserlauf und den rbb-Lauf, die Wasserspiele und das Internationale Stabhochsprung-Meeting, die von der Potsdamer Bevölkerung begeistert angenommen worden sind, nicht wegbrechen werden. Ebenso wenig wie die Zuschüsse für Mannschaften, die im regelmäßigen Wettkampfbetrieb stehen und darauf auch dringend angewiesen sind.
Worin sehen Sie für den Stadtsportbund 2012 die größten Herausforderungen?
Darin, dass wir weiterhin unsere Rolle als Bindeglied zwischen Politik und Sportvereinen vernünftig ausfüllen. Dazu gehört, dass wir Leistungs- und Breitensport als eine Einheit sehen und weiterentwickeln. Wobei wir als Stadtsportbund vor allem für den Breitensport verantwortlich sind und genau analysieren müssen, welche sportlichen Bedürfnisse die Potsdamer Bevölkerung hat. Dafür wird derzeit unter Leitung von Professor Jürgen Rohde von der Universität Potsdam ein neuer Sportentwicklungsplan erarbeitet, der Ende 2012 fertig sein soll.
Was versprechen Sie sich von diesem Plan?
Er soll die Gesamtsituation des Sports in der Stadt Potsdam analysieren. Ob beispielsweise die Sporthallen, nicht überdachten Sportflächen und Schwimmhallen in der Stadt reichen, um die Wünsche der Bevölkerung einigermaßen befriedigen zu können. Wir wissen beispielsweise schon jetzt, dass Radfahren und Schwimmen die Lieblingssportarten der Frauen und Mädchen sind.
In einem PNN-Interview vor einem Jahr sprachen Sie vom Aufnahmestopp neuer Mitglieder durch viele Sportvereine, deren Hallenkapazitäten ausgeschöpft seien. Können Sie inzwischen Entwarnung geben?
Nein. Die kann ich nicht geben. Warum sollte das jetzt möglich sein?
Am 18. Januar wird die neue Sporthalle im Luftschiffhafen offiziell eröffnet.
Wir freuen uns riesig auf diese neue Sporthalle, aber sie ist zunächst einmal eine Halle der Eliteschule des Sports. Wir hoffen, dass sie sowohl für die jungen Nachwuchssportler als auch für die Vereine, die dort ihre Wettkämpfe austragen werden – beispielsweise für die Volleyballerinnen und Handballer –, eine neue Motivation zu Höchstleistungen sein wird und dass sich diese der neuen Halle als würdig erweisen. Außerdem erhoffen wir uns von der Halle eine neue Fankultur unter Potsdams Sportfreunden.
Die Vereine, die die neue Sporthalle nutzen werden, befürchten, dass hohe Kosten auf sie zukommen.
Wir gehen davon aus, dass das Grundprinzip der entgeltfreien Nutzung der Sportanlagen bestehen bleibt und auch auf die neue Halle angewandt wird. Da die Sportvereine selbst jährlich 50 000 Euro für die Konsolidierung des Stadtsäckels zahlen, sollte man vielleicht eher von einer entgeltfreundlichen Nutzung sprechen. Wobei wir sicher nichts dagegen hätten, wenn ein Teil der Zuschauereinnahmen in der neuen Halle an die Luftschiffhafen GmbH abgeführt wird, die für die Werterhaltung der Halle verantwortlich ist. Wir hätten beispielsweise nichts gegen eine Abführung von etwa 20 Prozent dieser Einnahmen.
Entspannt die neue Halle die Sportstättensituation in der Landeshauptstadt?
Nein, denn die Halle ist zunächst von 8 bis 18 Uhr für die Schüler der Sportschule und dann vor allem für den Leistungssport reserviert. Eine Entspannung der Situation gibt es daher überhaupt nicht, weil so nur ein paar Stunden in anderen Hallen frei werden. Wir können also weiterhin vielen Vereinen nicht die Hallenzeiten geben, die sie eigentlich benötigen. Wir finden es deshalb sehr vernünftig, dass darüber diskutiert wird, die weiter dringend benötigte Sporthalle in der Heinrich-Mann-Allee zu sanieren. Es ist auch ganz wichtig zu prüfen, wo und wie neue Hallen und nicht überdachte Flächen in der stetig wachsenden Stadt Potsdam möglich sein könnten.
Im April dieses Jahres wird ein neuer Vorstand des Stadtsportbundes gewählt. Werden Sie dann für eine achte Wahlperiode zur Verfügung stehen?
Ja, ich werde mich wieder als Kandidat aufstellen lassen.
Warum?
Weil mir diese ehrenamtliche Arbeit mit einem engagierten Team Freude macht und weil man sieht, dass es vorwärts geht. Unser Vorstand fasst seine Beschlüsse sehr sachkundig und so, dass die Potsdamer und die Vereine merken, dass für die Weiterentwicklung des Sports in der Stadt eine Menge getan wird.
Zunächst aber wird der Stadtsportbund am Samstag dieser Woche seinen traditionellen Stadtsportball feiern, auf dem wieder Potsdams Nachwuchs- und Seniorensportler geehrt werden. Welchem Aspekt werden Sie sich bei Ihrer kleinen Ansprache dort widmen?
Mir liegt besonders am Herzen, dass wir auch die sportliche Zusammenarbeit mit Potsdams Partnerstädten forcieren. Wir haben ganz vorbildliche Beziehungen zu Luzern, zum Beispiel durch die Fechter, Ringer und Ruderer. Aber es gibt noch viel mehr Möglichkeiten und wir haben mit Ute Goldberg ein Vorstandsmitglied, das für die Partnerstädte verantwortlich ist. Sie hilft bei solchen Bemühungen gern.
Das Interview führte Michael Meyer
Lutz Henrich (60) ist seit 1998 Vorsitzender des Stadtsportbundes Potsdam.
Beruflich ist er als Leiter des Audiovisuellen Zentrums der Universität Potsdam tätig; hier ist er in seinem Arbeitszimmer zu sehen.
Im April dieses Jahres will Lutz Henrich bei der Wahl des Stadtsportbund-Vorstandes erneut kandieren.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: