
© Karla Fritze
Sport: „Die Sportförderung ist immer zu knapp“
Lutz Henrich und Anne Pichler, Vorsitzender und Geschäftsführerin des Stadtsportbundes, im Interview
Stand:
Herr Henrich, Frau Pichler, 2009 war deutschland- und weltweit ein Jahr wirtschaftlicher Schwierigkeiten und finanzieller Engpässe. Hat das auch der Potsdamer Sport gespürt?
Lutz Henrich: Mit den von der Stadt im vergangenen Jahr zugesagten und auch ausgereichten finanziellen Mitteln konnten bisher Abstürze verhindert werden. Und durch die Gelder, die dem Sport durch das Konjunkturpaket II zukommen sollen, besteht die Hoffnung, dass sich Einiges für den Sport in der Stadt weiter verbessern wird.
Anne Pichler: Für unsere Veranstaltungen in diesem Jahr hatten wir zum Glück langfristige Verträge und Partner, so dass wir keine größeren Probleme hatten. Die dürften uns aber im nächsten Jahr treffen, für das bereits Sponsorenverträge gekündigt wurden. Wir haben auch von zahlreichen Vereinen erfahren, dass ihnen größere finanzielle Schwierigkeiten entstehen werden.
Kann der Stadtsportbund dabei gegensteuern?
Anne Pichler: Wir können nur Lobbyarbeit zugunsten des Sports betreiben
Lutz Henrich: und verlassen uns darauf, dass die Zusagen der Stadt zur weiteren Förderung des Sports bestehen bleiben. Das ist wichtig, um auch mit städtischen Mitteln die Kontinuität des sportlichen Angebots in Potsdam zu erhalten. Ich gehe davon aus, dass die Sportvereine an der momentanen Krise nicht kaputtgehen, denn wir konnten die Nutzung der städtischen Sportstätten zu günstigen Bedingungen auch für 2010 festklopfen.
Anne Pichler: Wir haben die Zusagen aller Fraktionen des Stadtparlaments, dass die bisherige Regelung bestehen bleibt.
Wie soll denn die städtische Sportförderung für das kommende Jahr aussehen?
Anne Pichler: In diesem Jahr bekamen wir – ausgehend von 22 561 Mitgliedern zu Jahresbeginn – 225 700 Euro für den Sport zur Verfügung gestellt. Das waren rund zehn Euro pro Mitglied. Inzwischen haben wir 23 060 Mitglieder, so dass wir mit etwa 230 600 Euro rechnen.
Würde diese Summe denn reichen, um den Sport in der Stadt reibungslos funktionieren zu lassen?
Lutz Henrich: Die Sportförderung ist immer zu knapp, weil es durch die Vereine immer mehr Anträge auf Bezuschussung von sportlichen Maßnahmen gibt. Ein Drittel dieser Anträge kann nicht berücksichtigt werden, weil das Geld dafür nicht da ist. Durch einige neue Akzente in den Richtlinien zur Sportfördersatzung der Stadt könnte es hier zu Verbesserungen kommen.
An welche denken Sie?
Lutz Henrich: Wir wollen unter anderem erreichen, dass kleinere Sportvereine nicht eine zu hohe Selbstbeteiligung zum Beispiel bei der Anschaffung von Sportgeräten schultern müssen.
Anne Pichler: Ein anderer unserer Vorschläge sieht vor, dass Trainingsmaßnahmen nicht nur in den Schulferien bezuschusst werden, sondern auch über Feier- und Brückentage.
Sind Sie zufrieden mit der gegenwärtigen Sportstättensituation in Potsdam?
Lutz Henrich: Nein. Jedes Kind, das gern in einem Verein regelmäßig Sport treiben will, sollte die Möglichkeit dazu erhalten. Wir hier in Potsdam können das derzeit aber nicht gewährleisten. Zahlreiche Vereine stoppen bereits ihre Mitgliederaufnahme, weil die Hallen übervoll sind. Deshalb ärgern uns Diskussionen wie die, dass man mit der neuen Sporthalle im Luftschiffhafen auf die in der Heinrich-Mann-Allee verzichten kann. So etwas ist unüberlegt, denn die dortige Sporthalle wird dringend weiter benötigt. Wichtig ist daher auch, dass der Sportstättenentwicklungsplan der Stadt auf den aktuellen Stand gebracht wird.
Anne Pichler: An diesem Plan wird gemeinsam mit dem Bereich Sport der Stadt bereits gearbeitet. Dabei gilt es, für Potsdam genaue Prioritäten festzulegen, damit die Sportvereine Planungssicherheit für ihre Sportstätten haben. Wichtig ist beispielsweise auch eine möglichst rasche Lösung für die Turnerhalle im Luftschiffhafen, die sich in einem desolaten Zustand befindet, im Sanierungspaket Luftschiffhafen aber nicht mehr enthalten ist
Lutz Henrich: was auch eine Katastrophe für die Potsdamer Universität ist, die dort viele Ausbildungsstunden geplant hat.
Wird die neue Sporthalle im Luftschiffhafen für Entlastung sorgen?
Lutz Henrich: Natürlich hoffen wir, dass dadurch mehrere Sportvereine bessere Möglichkeiten erhalten und auch die Sportfans der Stadt bei wichtigen Veranstaltungen als Zuschauer endlich zu ihrem Recht kommen werden.
Anne Pichler: Die Judoka des UJKC Potsdam werden dort wesentlich günstigere Trainingsbedingungen als in ihrem derzeitigen Domizil erhalten, ebenso wie die Fechter, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Noch steht die neue Halle nicht...
Lutz Henrich: Das ist richtig. Aber die Planungsetappen sind abgeschlossen. Spannend ist deshalb jetzt nicht mehr die Frage, ob, sondern wann die Grundsteinlegung für die Halle erfolgen wird. Aber es geht nicht nur um diese Halle: Der gesamte Luftschiffhafen wird um- und neugestaltet; durch die Sanierung der Mensa und den Erweiterungsbau des Internats profitieren auch die 600 Schüler der Sportschule.
Andererseits wurde durch die Universität eine Sporthalle am Babelsberger Park geschlossen, ohne dafür Ersatz zu schaffen. Was sagt der Stadtsportbund dazu?
Lutz Henrich: Auch Potsdams Studenten haben Anspruch darauf, zur Erhaltung ihrer Fitness und Gesundheit Sportstätten zu nutzen. In Babelsberg haben bisher rund 1200 Studenten regelmäßig Sport getrieben. Das ist dort nun nicht mehr möglich, und die Sanierung der Halle in Golm hilft insgesamt nur wenig. Für uns ist der Verzicht der Universitätsleitung auf eine neue Halle eine einmalig vertane Chance. Das Angebot der Stadt, in der Kurfürstenstraße Grund und Boden dafür zur Verfügung zu stellen, wurde leider abgelehnt. Den Studenten bleibt nun als Ausgleich nur, bei der Stadt Hallenzeiten für ihre Kurse zu beantragen. Und wie kritisch die Situation in der Stadt aussieht, haben wir bereits besprochen.
Anne Pichler: Um den Studenten Hallenzeiten zu geben, müssten diese Kapazitäten anderen Vereinen gestrichen werden. So brutal ist das.
2009 gab es mehr Potsdamer Sporttreibende als im Jahr davor – Sie nannten vorhin eine Steigerung von 22 561 auf 23 060 Mitglieder. Gibt es auch mehr Sportvereine in der Stadt?
Anne Pichler: Deren Anzahl hat sich von 146 auf 144 verringert. Einige Vereine kamen hinzu, andere lösten sich auf. Einer wechselte seinen Standort, ein Golfverein war der Meinung, uns nicht zu brauchen.
Die Landessportkonferenz hat kürzlich empfohlen, mehr Mädchen und Frauen für den Sport zu gewinnen. Wie kann das in Potsdam gelingen?
Anne Pichler: Wir betreiben seit dem vergangenen Jahr sogenannte Projektförderung, denn in Potsdam sind mehr Männer als Frauen in den Sportvereinen. Ein gelungenes Beispiel gab es beim Preußischen Fechtclub, der einen speziellen Kurs nur für Frauen anbot. So entstand eine reine Frauengruppe, aus der mittlerweile sechs Frauen in den Fechtclub eingetreten sind. Wir hoffen, dass auch andere Vereine ähnliche Ideen haben und umsetzen, um mehr Frauen für den Sport zu begeistern.
In diesem Jahr gab es die zweite Jugend-Olympiade zwischen Potsdam und Luzern – ist so etwas auch mit anderen Potsdamer Partnerstädten geplant?
Lutz Henrich: Diese Olympiade war ein Vorschlag aus Luzern, der vom hiesigen Freundeskreis Potsdam–Luzern aufgegriffen wurde. Ich finde diese Idee super und kann den Vorständen der Freundeskreise mit anderen Partnerstädten nur empfehlen, ähnliches anzuschieben. Wir würden unsere gewonnenen Erfahrungen dafür gern weitergeben.
Auf welche sportlichen Highlights in ihrer Stadt können sich die Potsdamer 2010 vor allem freuen?
Lutz Henrich: Beispielsweise auf den rbb-Lauf Potsdamer Drittelmarathon Mitte April und den Pro Potsdam Schlössermarathon im Juni, die beide von uns organisiert werden. Und auf die WM der Marching Show Bands Ende Juli.
Anne Pichler: Außerdem gibt es wieder zahlreiche Traditionsveranstaltungen, die aus Potsdam nicht mehr wegzudenken sind – seien es der Internationale Sparkassenlauf Preußische Meile, das Stabhochsprung-Meeting oder die Wasserspiele, der Germania-Cup der Ringer, der Mazda-Cup der Judokas oder der internationale Gymnastik-Mäuse-Cup.
Zunächst aber laden Sie am 9. Januar wieder traditionell zum Stadtsportball ein.
Anne Pichler: Richtig, darauf freuen wir uns schon. Im Mittelpunkt wird dann erneut die Auszeichnung der Potsdamer Nachwuchs-Sportler und des Seniorensportlers des Jahres stehen.
Lutz Henrich: Und ich hoffe, Oberbürgermeister Jann Jakobs nennt uns dann den Termin für die Grundsteinlegung für die neue Sporthalle im Luftschiffhafen.
Das Interview führte Michael Meyer.
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