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Landeshauptstadt: „Die Stadt muss ihre Aufgaben reduzieren“

Der Zukunftsforscher Busso Grabow über das anstehende Millionenprojekt Schulerweiterung und wie die Stadt dies finanzieren kann

Stand:

Herr Grabow, Potsdam muss für neue Schulen in den kommenden Jahren rund 160 Millionen Euro aufbringen. Kann eine Stadt dieser Größe das stemmen?

Alle Städte mit deutlichen Wachstumsschmerzen wie Potsdam stehen vor der Herausforderung, die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur vorfinanzieren zu müssen. Bei deutlichem Einwohner- und Beschäftigtenzuwachs – für den Potsdam übrigens von anderen Städte beneidet wird – ist es nicht nur zulässig, sondern teilweise geboten, auch neue Investitionskredite aufzunehmen: Diesen steht letztlich ja zusätzliches Vermögen gegenüber. Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass diese Kosten sofort und auf einen Schlag entstehen. Die Investitionen verteilen sich auf mehrere Jahre und richten sich nach dem tatsächlich entstehenden Bedarf, das heißt: Bevölkerungswachstum. Entscheidend sind nicht die Ausgaben im Jahr der Errichtung, sondern die Kosten, die sich über den voraussichtlichen Nutzungszeitraum verteilen, also Zins- und Tilgungsleistungen und insbesondere die Betriebs- und Unterhaltungsausgaben.

Diese Kredite werden über Jahre die Handlungsfähigkeit der Stadt einschränken – besonders für freiwillige Leistungen wie Kultur.

Eine wachsende Stadt darf aufgrund des Kommunalen Finanzausgleichs mittelfristig auch mit steigenden Einnahmen rechnen. Mittel- bis langfristig erlauben es auch die mit dem Wachstum verbundenen zusätzlichen Steuereinnahmen auch Zinsen und Tilgung für die Investitionskredite zu leisten. Es bleiben also Spielräume für freiwillige Leistungen bestehen oder entstehen sogar neue, wenn nämlich die vorhandene Infrastruktur besser ausgelastet wird und sich dadurch positive Effekte für den Haushalt ergeben. Die Kreditfinanzierung an sich wäre nur dann problematisch, wenn die Stadt Potsdam schon in sehr hohem Maße verschuldet wäre.

Ist das Potsdam denn nicht?

Die Pro-Kopf-Verschuldung ist im Vergleich zu anderen Landeshauptstädten eher gering – zumindest wenn man den städtischen Kernhaushalt als Vergleichsmaßstab nimmt. Ein absolutes Maß für ’hohe Verschuldung’ gibt es nicht. Ansonsten sind die Kreditbedingungen – insbesondere die Zinsen für Kommunalkredite – aktuell so gut, dass die Belastung vergleichsweise gering wäre. Allerdings sollte sich die Stadt die Konditionen langfristig sichern und vor allem darauf gefasst sein, dass die Zinsen irgendwann auch wieder steigen werden.

Im Gespräch sind auch Steuererhöhungen – sind die Möglichkeiten, so mehr einzunehmen, für Potsdam nicht eher begrenzt?

Kommunale Steuern, die direkt bei den Bürgern erhoben werden, haben für den Haushalt eine eher untergeordnete Rolle. Größere Effekte haben Hebesatzerhöhungen etwa bei der Grundsteuer oder der Gewerbesteuer. Potenziale liegen auch bei Nutzungsgebühren und anderen Abgaben. In vielen Bundesländern, die ihre notleidenden Kommunen aktuell bei der Haushaltskonsolidierung unterstützen, sind entsprechende Anpassungen nach oben Grundbedingungen zur Sanierung der Kommunalfinanzen. Langfristig sind aber insbesondere Ausgabenreduzierungen ausschlaggebend dafür, ob Städte finanziell handlungsfähig bleiben. Einsparungen lassen sich aber nur realisieren, wenn es über Fraktionsgrenzen hinweg umfassende ’kommunale Konsolidierungskoalitionen’ im Stadtparlament gibt. Dies lässt sich meinem Eindruck nach in Potsdam eher bezweifeln.

Einen Teil der Kosten sollen städtische Firmen abfangen – deren Bilanzen tauchen aber nicht im eigentlichen Stadtetat auf. Gibt es Grenzen für ein solches Vorgehen?

Immer mehr Städte bilanzieren schon den Konzern Stadt – also Kernhaushalt und kommunale Unternehmen – zusammen. Die finanziellen Verflechtungen werden dann transparent. Erst dieser Überblick ermöglicht eine nachhaltige strategische Steuerung der Daseinsvorsorge. Für Potsdam könnte das interessant sein, eventuell auch als Konsequenz aus der vor einigen Jahren geführten Transparenzdebatte. Grundsätzlich kann es durchaus sinnvoll sein, dass kommunale Unternehmen einen Teil der Finanzierung übernehmen. Zum Teil profitieren sie ja auch von den zu erwartenden Entwicklungen. Allerdings können sich auch die Stadtwerke oder die ProPotsdam nicht unbegrenzt verschulden. Hier gibt es Grenzen, die sich nach der finanziellen Lage und Leistungsfähigkeit der Unternehmen richten.

In der Debatte darüber, wie sich Wachstum finanzieren lässt, wird gern auf Bund und Land verwiesen, die diese Gelder bereitstellen mögen – ist das realistisch?

Bund und Land beteiligen sich über bestimmte Programme am Erhalt und Ausbau kommunaler Infrastruktur. Selbst wenn diese Mittel nicht direkt in Schulen investiert werden können, entlasten sie den Haushalt an anderer Stelle und können Spielräume schaffen. Allerdings erscheint es wenig realistisch, dass eine wachsende Stadt, die als attraktives und erfolgreiches Beispiel städtischer Entwicklung insbesondere in Ostdeutschland wahrgenommen wird, hier die Hand aufhalten kann. Andere Kommunen brauchen vermutlich noch dringender Geld.

Potsdam soll rasant weiter wachsen, dann werden neue Investitionen in Kitas, Schulen und so weiter nötig sein: Kann eine Stadt, wenn das Wachstum nicht mehr bezahlbar ist, dieses auch drosseln?

Wenn die Investitionen nicht Schritt halten, sinkt die Attraktivität der Stadt für potenzielle neue Einwohner. Das Wachstum würde ausgebremst. Würde die Stadt versuchen, den Zuzug zu drosseln, indem sie zum Beispiel keine neuen Bauflächen ausweist, würde das vermutlich eher zu steigenden Preisen und damit verbundenen negativen Effekten führen – etwa die Verdrängung von Einwohnern mit niedrigeren Einkommen.

Potsdam will ja private Investoren an der Finanzierung von sozialen Infrastrukturinvestitionen beteiligen: Wo liegen die Grenzen eines solchen Vorgehens?

Wir haben für die Stadt Potsdam eine Studie erstellt, in der wir diese Option aus rechtlicher und ökonomischer Perspektive betrachtet haben. Machbar wäre es und die finanzielle Belastung von Immobilieneigentümern und Mietern, die später die von den Investoren errichteten Objekte erwerben oder nutzen, scheint zumindest nach den durchgeführten Modellrechnungen in einem vertretbaren Rahmen zu bleiben. Wichtig ist, dass die Entwicklung von großen Bauprojekten zur Nutzung der in Potsdam noch vorhandenen Flächenpotenziale attraktiv bleibt und Investoren dadurch nicht abgeschreckt werden. Klar ist aber auch: Die Investoren profitieren selbst von einer guten kommunalen Infrastruktur. Wenn Kitas und Schulen in der näheren Umgebung fehlen, wird die Vermarktung von Immobilien zumindest in einigen Segmenten deutlich schwieriger.

Die Fragen stellte Henri Kramer

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