Links und rechts der Langen Brücke: Die Stadt steht in der Pflicht
Jan Brunzlow über Kitaplatzmangel und ein nicht synchronisiertes System
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Ist das Potsdamer Kitasystem zu modern? Beziehungsweise – passt es überhaupt in diese Zeit? Zwei Fragen, die sich unweigerlich stellen. Seit Monaten werden die Mitarbeiter im Jugendamt von Kinder überrascht, die geboren worden sind. Der Mangel an Kitaplätzen ist inzwischen auf über 800 angestiegen. 800 Eltern also, die gerne einen Platz für ihr Kind hätten und keinen bekommen. Wie es dazu kommen konnte? Die Antwort ist einfach: Es sind mehr Kinder geboren worden als früher. Das reicht nicht, es steckt mehr dahinter. Die Landeshauptstadt hat in den vergangenen Jahren alle Kindertagesstätten aus der Hand gegeben. Sie hat sie privatisiert, die Trägerschaft in die Hände von Vereinen, Wohlfahrtsverbänden und Elterninitiativen gelegt. Damit hat sie nicht nur für einen liberalisierten Markt gesorgt, der eine große Vielfalt im Angebot schafft. Damit nicht genug. Sie hat gelegentlich die Last der Bewirtschaftung und Instandhaltung der Gebäude in die Hände freier Träger gelegt. Das klingt alles vorteilhaft für die Kommunen, doch kurz gesagt kauft die Stadt jetzt die Leistung zur Betreuung von Kindern bei Fremdanbietern ein. Damit hat sie eine ureigenste Daseinsfürsorge abgegeben und reguliert einzig deren Einnahmen. Dass bei der Konkurrenz zwischen den einzelnen Kitas aber am Ende nicht der Preis entscheidet, gilt in Potsdam eine einheitliche Kitagebührensatzung. Mehr Einfluss als diesen hat die Kommune nicht mehr. Mit der Abgabe der hoheitlichen Aufgabe frühkindlicher Bildung und Betreuung hat sie das wohl wichtigste Steuerungselement aus der Hand gegeben: Die Regulierung der Quantität. Um neue, dringend benötigte Kita- und Krippenplätze zu schaffen, muss das Jugendamt auf Werbetour gehen oder wieder eine eigene Kitainfrastruktur aufbauen. Die Stadt ist daher in der Pflicht, ihrer Daseinsvorsorge nachzukommen und sofort neue Plätze zu schaffen, wenn Bedarf ist. Und den gibt es. Allerdings: Das Potsdamer Kitasystem scheint ein einträgliches Geschäft zu sein. Die Arbeiterwohlfahrt hat in Babelsberg eine komplett neue Kita gebaut und errichtet nun in Eiche eine neue Kita: Baukosten, mehr als zweieinhalb Millionen Euro. Und eine Gesellschaft des Landessportbundes will ein Grundstück in exklusiver Lage für mehr als zwei Millionen Euro kaufen und darin Kitaplätze anbieten. Kosten, die sich anscheinend auch refinanzieren lassen.
Inhaltlich gibt es allerdings ebenso Probleme im System: Durch die Konkurrenz zwischen den Kitas sind unterschiedlichste Angebote entstanden. Eine gute Sache, doch ist das brandenburgische Schulsystem auf die Verhältnisse nicht vorbereitet. Ein Beispiel: So gibt es Englisch ab drei Jahren in der Kita – spielerisch sollen die Kinder die Sprache erlernen. Mit sechs können sie sich verständigen. Aber dann kommt die Schule und es geht von vorne los. Englisch als Begegnungssprache sieht das Schulgesetz vor. Das ist zu wenig – an den Schulen muss reagiert werden, sie sollten besser werden, nicht die Kitas wieder schlechter. An Stellen wie dieser, muss das System dringend nachgebessert werden.
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