Landeshauptstadt: „Die Suche nach Elias lässt keinen kalt“
Zur Berichterstattung über den Fall des verschwundenen sechsjährigen Elias und die Hilfsaktionen zahlreicher Freiwilliger am Schlaatz.Es ist sehr lobenswert, dass Potsdam so zusammenhält, jedoch muss man mit Erschrecken feststellen, dass die Suche in eine für mich vollkommen falsche Richtung eskaliert ist.
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Zur Berichterstattung über den Fall des verschwundenen sechsjährigen Elias und die Hilfsaktionen zahlreicher Freiwilliger am Schlaatz.
Es ist sehr lobenswert, dass Potsdam so zusammenhält, jedoch muss man mit Erschrecken feststellen, dass die Suche in eine für mich vollkommen falsche Richtung eskaliert ist. Ich selbst war mit Freunden am Donnerstag suchen und die Helfer vor Ort zu unterstützen, jedoch stellte sich uns gleichzeitig die Frage „Warum muss eine Versorgung vor Ort stattfinden?“ Wir haben gern geholfen, auch ohne Essen und Trinken! Die Suche von Elias wird dazu benutzt, dem einen oder anderen eine Plattform der Selbstdarstellung zu bieten. Es wurde nach Spenden gebettelt, egal ob in Form von Essen oder Tankgutscheinen. Das ging mir persönlich zu weit.
Dass Firmen Kopien der Flyer erstellen, ist sehr lobenswert und auch, dass es Menschen gab, die ohne Hintergrund Einsatz zeigten beim Verteilen. Jedoch kippte die Stimmung schon, als wir mit ansahen, dass für Suchende Verpflegungsbrote für unterwegs gereicht wurden. Jeder normale Mensch hält einen Spaziergang von drei Stunden aus, ohne verpflegt zu werden. Genauso rückgratlos fand ich die Aktion, das Jugendweihegeld einer 14-Jährigen als Spende anzunehmen!
Eine Reiterstaffel wurde organisiert, wobei es im lockeren Spaziergang endete, weil es von Reitern ohne Pferd und Möchtegern-Einsatzleuten geleitet wurde. Meine Meinung war von Anfang an, dass die Suchgebiete besser mit der Polizei abgestimmt hätten werden müssen, damit nicht Helfer Spuren versehentlich kaputttrampeln.
Elias wurde am Schlaatz zum Anlass genommen, gescheiterten Arbeitslosen eine Aufgabe zu geben, die sich sonst nicht zur Arbeit aufraffen können und nun sich nun selbst in die Haare bekommen. Ich glaube immer noch daran, dass die Polizei genau weiß, was sie macht. Die Suche durch unorganisierte Freiwillige sollten sie verbieten, denn es wurden Kinder mitgenommen und alles veranstaltet wie eine Art Fest. Als Mutter bin ich fassungslos über das, was dort passiert ist und immer noch passiert.
Liselotte Herman, Potsdam
Ich komme aus dem Havelland und habe die ganze Sache von der ersten Stunde an verfolgt und mich der Facebook- Gruppe „Suche Elias“ angeschlossen. Ich war bis zum 10. Juli überwältigt von der Solidarität der Potsdamer und den vielen, vielen Helfern. Aber mit dem Errichten des Versorgungsstützpunktes kippte bei mir ganz schnell die Solidarität. Was ist vordergründig: Die Suche oder ein Volksfest? Da wurde gepostet, dass man noch Getränke und Lebensmittel bräuchte und für alles dankbar ist. Da wurden Interviews gegeben, wie sehr doch die Potsdamer um den kleinen Elias bangen. Nur ehrlich: Wer in den Tagen Kaffee, Bratwurst, Kuchen et cetera runterbekommen hatte, hat von mir kein Verständnis. Die Idee, einen zentralen Sammelpunkt zu schaffen für die vielen Helfer, war mit nix zu toppen, aber dieses lief aus dem Ruder. Hat einer, der sich dort auf Kosten von Sponsoren satt gegessen hat, je daran gedacht, dass der Junge verletzt hilflos liegt und mehrere Tage kein Essen oder Trinken hat? Mir wäre die Bratwurst im Hals stecken geblieben. Hat einer mal an die Mutter und Angehörigen gedacht, die neben der atemraubenden Angst um Elias mit dieser Welle der Solidarität so überrollt wurden, dass man gar nicht weiß, wie man den freiwilligen Helfern jemals danken kann? Kein Wunder, dass die Mutter zusammengebrochen ist. Ich staune, dass sie die vier Tage Kraft hatte, neben Interviews und Kamerateams alles zu stemmen.
Fazit: Solche Ereignisse sollten Sache der Polizei sein. Das Schlimme: Alle schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Doch in 14 Tagen wird man die ersten Kinder wieder allein auf den Spielplätzen antreffen. Dann ist auch für die ach so eifrigen Helfer alles vergessen. Liane Hoppe, Havelland
Man muss nicht Mutter oder Vater eines kleinen Kindes sein, man muss nicht mit der Familie verwandt sein, die auf so tragische Weise ein Kind vermisst. Die Suche nach Elias lässt keinen kalt.
Anfeindungen im sozialen Netzwerk werden immer enormer gegenüber den freiwilligen Helfern und deren „Orga-Team“. Diesbezüglich wird auch immer wieder in den sozialen Netzwerken das „Flyertaxi“ in Misskredit gebracht. Das „Flyertaxi“ organisierte mit vielen Helfern die Abholung und Verteilung von 60 000 Flyern, die durch zahlreiche Spenden zusammengekommen waren, diese wurden nicht „erbettelt“, sondern waren für viele Anlaufstellen, die ich persönlich anfuhr, eine Herzensangelegenheit. Ich war immer wieder gerührt von so viel Anteilnahme. Es wurden zirka 2000 Kilometer in einer Woche mit privaten Pkw zurückgelegt, um eine Verteilung zu gewährleisten.
Die letzte Aktion des „Flyertaxis“ war, eine Flyerstation einzurichten, damit Helfer, die sich in Berlin bereit erklärten, Flyer zu verteilen, schnell zu ihren Flyern kommen. Hier waren zahlreiche Tankstellen bereit. Diese Aktion wurde innerhalb von zwei Tagen realisiert und umfasste einen enormen Arbeitszeitaufwand nach dem täglichen Arbeitspensum. Wir sind beunruhigt, dass diese Aktion nicht mehr die Resonanz findet, dass durch die negativen Presseberichte auch das „Flyertaxi“ in Verruf kommt. Für alle, die sich beim „Flyertaxi“ engagierten, ist die Berichterstattung und speziell die „Schlammschlacht“ im Internet eine „Klatsche ins Gesicht“.
Wir haben zu keiner Zeit eigennützig gehandelt, haben keine Tankgutscheine benutzt. Es stimmt nicht, dass wir eine 14-jährige ausnutzen, die ihr Jugendweihegeld spendete – davor ziehen wir immer noch den Hut. Wir waren immer der Meinung, diese Gutscheine sollten Helfer bekommen, die sich durch ihr schwaches Einkommen eine Hilfe nicht leisten können, aber gerne helfen wollen. Dies wäre auch der Herzenswunsch des Jugendweihlings gewesen. Wir sind der Meinung, dass durch die Flyeraktion keine polizeilichen Ermittlungen behindert werden, sondern nur die Bevölkerung sensibilisiert wird, um nicht mit Scheuklappen durch die Welt zu laufen.
Claudia Müller-Zahn, Potsdam
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