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Landeshauptstadt: Die unnötigen Hindernisse im Rathaus Wie arbeitet ein sehbehinderter Politiker?

Ich habe einen blinden Fleck in der Mitte meines Auges. Es ist so, als wäre ein Cent-Stück vor mein Auge geklebt.

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Ich habe einen blinden Fleck in der Mitte meines Auges. Es ist so, als wäre ein Cent-Stück vor mein Auge geklebt. Zwar sehe ich am Rande etwas, das reicht aber nicht für Lesen und Orientierung. Im Vorfeld der Kommunalwahlen habe ich mir überlegt, ob und wie ich das händeln könnte. Und als ich zum Schluss kam, „wo ein Wille, da ein Weg“, habe ich mich gut vorbereitet und nach meinem intensiven Wahlkampf erfreulicherweise ein Mandat erhalten. Die Vorbereitung sah so aus, dass ich meinen acht Jahre alten Computer gegen einen fast neuen austauschte und ein kostenloses Bildschirm-Leseprogramm installierte. Dieses Hilfsprogramm liest mir etwa textbasierte Dokumente, E-Mails, Webseiten, Ordnerinhalte vor. Ich habe also bei der Vorbereitung der Gremienarbeit zu Hause am PC einen Kopfhörer auf und höre, was ich auf dem Schirm habe. Ich bewege mich mittels Tastatur, die ich blind beherrsche, durch die Programme. Die Computermaus brauche ich kaum. Manchmal schalte ich den Monitor auch ab.

Obwohl ich es mir beim Mandatsantritt nicht explizit vorgenommen hatte, kam ich nicht umhin, Hindernisse für Sehbehinderte offenzulegen und Abhilfe zu schaffen. Die öffentlichen Unterlagen für die Sitzungen werden in das lobenswerte via Internet zugängliche Ratsinformationssystem (RIS) gestellt, sodass man sie einsehen oder vorgelesen bekommt. Manche Dokumente aber, Kleine Anfragen oder Antworten der Verwaltung oder Anlagen können allerdings nicht gelesen werden, da sie wie ein Bild und nicht wie ein Text erstellt wurden. Da mir das auch bei E-Mails von Fraktionen und Fachbereichen passierte, fragte ich nach, wie die Dokumente entstünden und erfuhr, dass die Umwandlung in ein PDF-Dokument meistens am Kopierer geschieht, dass die modernen Kopierer eine Funktion „Scan to me plus OCR“ besitzen, um barrierefreie PDF-Dokumente zu erstellen. Da hinweisende Gespräche nur mäßigen Erfolg hatten, brachte ich einen Antrag „Barrierefreie und kompatible Dokumente“ in die Stadtverordnetenversammlung ein, der von einer deutlichen Mehrheit der Abgeordneten angenommen wurde. Dennoch muss ich gelegentlich auf diesen Sachstand hinweisen und erläutern, wie das geht.

Die Beauftragte für Menschen mit Behinderung, Nicole Einbeck, war über mein Engagement sehr erfreut, da somit vielen interessierten Bürgern der Zugang zu wichtigen Informationen erleichtert wird. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr unnötige Hindernisse fallen mir auf.

Die Mitarbeiter im Rathaus bemühen sich dankenswerterweise, auf mein Handicap Rücksicht zu nehmen. So hat man mich nahe am Mikrofon platziert, um mir Laufwege im Plenarsaal zu ersparen. Bei Sitzungen in wechselnden Räumen frage ich vorsichtshalber vorher nach der Lage des Raumes. Die Ausschüsse tagen ja meist an gleicher Stelle, da hat man es schnell raus. Schwieriger wird es nur bei externen Sitzungen, wenn wir beispielsweise die Kultureinrichtungen besuchen. Da frage ich dann schon mal genauer, welche öffentlichen Verkehrsmittel mich da hinbringen. Und wenn es zu umständlich wird, organisiere ich mir Mitfahrgelegenheiten.

Norbert Mensch, 52, ist gelernter Diplom-Kaufmann und seit Mai dieses Jahres Stadtverordneter für die CDU.

Norbert Mensch

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