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Landeshauptstadt: Die vier wichtigen Stunden des Tages

Deutsche und Migranten haben vier Monate gemeinsam die Nuthewiesen von Müll und Gestrüpp befreit

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Zentrum Ost - Robert Glombitza hat sich extra eine Krawatte umgebunden – über seine Arbeitskleidung. Sie baumelt hin und her, wenn er sich nach alten Flaschen und Papierresten bückt. Müll und Geäst sammeln, das gehört jetzt seit knapp vier Monaten zu seinen täglichen Aufgaben. Denn der 42-jährige Potsdamer hilft als einer von 30 Ein-Euro-Jobbern dem Grünflächenamt Potsdam bei der Rekultivierung der Nuthewiesen und des Ufers am alten Nuthelauf.

Doch gestern war für Glombitza kein normaler Arbeitstag, denn Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller war zu Besuch, zu deren Ehren Glombitza seinen Schlips angelegt hatte. Müller wollte das Arbeitsprojekt der Presse vorstellen, das am 28. Februar endet. Das Besondere daran: Deutsche und ausländische Langzeitarbeitslose lernen gemeinsam, sich wieder an einen Arbeitsalltag zu gewöhnen – etwa pünktlich um 8 Uhr morgens zu erscheinen oder sich zu entschuldigen, wenn sie mal fehlen. Durch den Kontakt mit den zehn deutschen Kollegen lernen die 20 zumeist aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Migranten zugleich die deutsche Sprache. „Oft kommen sie zu mir und fragen mich nach Wörtern, da freue ich mich, wenn ich ihnen helfen kann“, erzählt Robert Glombitza. Umgekehrt erfreut er seine ausländischen Kollegen hin und wieder mit seinem Schulrussisch. Glombitza glaubt, dass es sie aufmuntert, wenn sich andere ebenfalls mit einer Fremdsprache abquälen.

Laut Ullrich Simchen, Geschäftsführer des Urania-Schulhauses, das Träger der Ein-Euro-Job-Maßnahme ist, sind die Teilnehmer äußerst motiviert und stolz auf das, was sie in den vergangenen Monat geschaffen haben. Sie haben eine Fläche so groß wie 18 Fußballplätze von drei Container-Ladungen Müll und Schrott befreit. Sie haben Zäune aus Reisig gebaut mit Lücken, um den ansässigen Wildschweinen nicht ihre Wege zu versperren. Und sie haben jeden amerikanischen Ahornbaum gefällt, den sie finden konnten. Denn der gehöre dort nicht hin und vertreibe die heimischen Pflanzen, erklärt Glombitza. Er hofft, dass die Leute, die jetzt beispielsweise an dem kleinen Waldstück vorbeifahren, das von der Nutheschnellstraße und dem Horstweg eingezwängt wird, nicht mehr so oft ihren Müll aus dem Fenster werfen. „Vielleicht hilft es, dass sie Menschen sehen, die den Dreck wieder aufheben“, sagt Glombitza. Eigentlich hat er Dachdecker gelernt. Doch nach der Wende konnte er in der Baubranche keinen Fuß fassen. Statt Ziegeldächer zu bauen, hatte er lediglich gelernt, Plattenbauten mit zu decken. Dass er an Depressionen leidet, macht es ihm ebenfalls schwer, einen Job zu finden. Die vier Stunden tägliche Arbeit an der Nuthe hätten ihn zwar nicht unbedingt glücklicher gemacht, seien ihm aber sehr wichtig: Er konnte in dieser Zeit „etwas Sinnvolles tun statt zu Hause rumzugrübeln“, sagt er. Sieben seiner Kollegen haben durch die Arbeitsmaßnahme, deren Gesamtkosten sich auf 39446 Euro belaufen und von der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitslose getragen werden, den Weg zurück ins Berufsleben gefunden. Weitergehen soll es aber auch für alle anderen der 30. Sie sollen nach dem derzeitigen Erfolg nicht wieder in ein Loch fallen, betont Müller. Ein Nachfolgeprojekt an der Heinrich-Mann-Allee ist bereits geplant. Und Robert Glombitza wäre gern wieder dabei.

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