Von Jörg Schreiber: Die „Vogelrepublik“ als Geheimtipp
Gänse, Kormorane und Kraniche nutzen Überschwemmungsflächen im Nationalpark Warthemündung
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Küstrin - Astrid Molder führt die Gruppe über eine noch vom Winterhochwasser der Warthe gezeichnete Wiese. Die Landschafts- und Naturführerin weist auf die fast bis zum Horizont reichende Überschwemmungsfläche. Im knietiefen Wasser waten und schwimmen in Sichtweite der Besucher Hunderte Vögel. „Das Trompeten, das wir hören, das sind Singschwäne, das Pfeifen kommt von einer Pfeifente“, erläutert sie die Vogellaute, die in der ansonsten stillen Naturlandschaft östlich der polnischen Grenzstadt Kostrzyn (Küstrin) weithin zu hören sind.
Im nur 80 Kilometer von Berlin entfernten Warthebruch, einem der größten europäischen Vogelschutzreviere, beginnt Mitte März die Brutsaison. „Über 270 Vogelarten werden hier gezählt, von denen 170 im Bruch brüten“, sagt die Ostbrandenburger Forstingenieurin, die Besucher durch den rund 8000 Hektar großen polnischen Nationalpark Warthemündung gleich hinter der deutschen Grenze führt. Der feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen, doch noch immer finden deutlich mehr deutsche Tagestouristen den Weg zu Basar oder Billigtankstellen in Kostrzyn, als in das nahegelegene Naturidyll. Vor dem Nationalparkhaus nur wenige Kilometer hinter der Grenzstadt liegen noch die Sandsäcke vom Winterhochwasser. So hohe Pegelstände wie dieses Jahr gab es an der Warthe lange nicht. Noch Ende Februar habe der gesamte südliche Teil des Parks unter Wasser gestanden, berichten Mitarbeiter. Das Wasser geht nur allmählich zurück, Wanderwege ins Innere des Parks sind noch immer gesperrt.
Die unzähligen Vögel indes nutzen die Überschwemmungsflächen gern. Blessrallen suchen im flachen Wasser einen Platz für die Nacht, Stockenten sowie Graugänse – das Symbol des Nationalparks – fliegen auf. Ein Seeadler dreht seine Kreise, die ersten Kormorane fliegen über das Bruch. Auch geschützte Arten wie Kampfläufer oder Uferschnepfe leben hier. Im Frühjahr und Herbst machen zudem Tausende Kraniche im Bruch Station.
„Die polnische Bevölkerung nennt das deltaähnliche Gebiete nicht umsonst Vogelrepublik“, sagt Molder. Diese war 2009 als bestes touristisches Produkt hinsichtlich der Nachhaltigkeit in Polen ausgezeichnet worden, weiß der aus Deutschland stammende Klaus Ahrendt, der in der 1945 zerstörten Küstriner Altstadt östlich der Oder eine Tourismusinformation betreibt. Die beste Beobachtungszeit beginne im März, sagt er. Der Nationalpark lasse Gruppen bis zu 20 Personen zu, um Vögel und andere hier lebende Tiere - wie Rehe, Hirsche, Bienen, Schmetterlinge oder Ringelnattern – nicht zu stören. „Es lohnt sich herzukommen, um Arten zu sehen, die man sonst in freier Wildbahn kaum zu Gesicht bekommt“, sagt Astrid Molder. Im Park gibt es mehrere Beobachtungstürme, einer steht gleich an der Straße von Kostrzyn nach Slonsk (Sonnenburg). Neben Führungen seien auch Rad- und Kanutouren möglich. Je nach Wasserstand und Jahreszeit präsentiere sich die Natur sehr unterschiedlich.
Auch rund um den Nationalpark gibt es viel zu entdecken. In Slonsk etwa steht eine 1508 vom Johanniterorden geweihte Kirche, die in den 1990er Jahren auch mit Bundesmitteln restauriert wurde. In Dabroszyn – dem früheren Tamsel – führen vom verwilderten Schlosspark aus Wege ins Bruch. Und im Dorf Nowiny Wielkie bei Witnica können Gäste einen Park mit inzwischen rund 60 Sauriermodellen erkunden. Jährlich kämen rund 50 000 Besucher, ein Teil davon aus Brandenburg und Berlin, wie Betreiber Krzysztof Kuchnio berichtet. Ein Besuch im Saurierpark runde den Eindruck von der Vogelrepublik ab, sagt Molder: „Die Dinosaurier sind schließlich Vorfahren der Vögel.“
Informationen zu Touren unter
tourist-info-kostrzyn.de
Jörg Schreiber
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