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Homepage: Die Vorurteile wiegen schwer

Corps Masovia ist die erste Potsdamer Studentenverbindung. Ein Besuch im Vereinshaus

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Corps Masovia ist die erste Potsdamer Studentenverbindung. Ein Besuch im Vereinshaus Von Dirk Becker Dem skeptischen Blick begegnet Marc-Torben Lerch mit Neugier. Mit Vorurteilen muss er sich fast ständig auseinander setzen. Fast schon diebisch seine Freude darüber, was er heute wieder so zu hören bekommen wird. Als Mitglied der Studentenverbindung Corps Masovia ist er da schließlich einiges gewohnt. Seit März ist Potsdams einzige Studentenverbindung in der Kurfürstenstraße sesshaft. Vor knapp vier Jahren kam das Corps Masovia, das zum Kösener SC-Verband, dem ältesten Dachverband studentischer Korporationen Deutschlands gehört, nach Potsdam. Die Räume am Babelsberger Böttcherberg konnten aber schon bald den Ansprüchen nicht mehr genügen. Alte Herren, 50 zählt das Corps, entschlossen sich daraufhin, das kleine Holländerhaus in der Stadtmitte zu kaufen, das jetzt als Zentrum der 173 Jahre alten, in Königsberg gegründeten Verbindung dient. Der mit rustikalen Tischen und Ahnengalerie geschmückte Traditionsraum, Büro- und Aufenthaltsräume, das Fechtzimmer über Platzmangel können die 13 Aktiven nicht klagen. Alte Herren, Aktive, Fuchs, im Laufe des Gesprächs fallen Begriffe, die es einem schwer machen, in die eigenwillige Welt der Studentenverbindungen einzudringen. Saufen, Schmiss und Chauvinisten, das sind die anderen Begriffe, die immer dann aufkommen, wenn man Außenstehende nach ihrer Meinung über die Corps befragt. Und die allzu schnelle Gleichsetzung von Burschenschaften und Studentenverbindungen. Der 28-jährigen Marc-Thorben Lerch, der Geschichte studiert, sieht gerade darin die Ursache dafür, dass Studentenverbindungen einen so schlechten Leumund haben. Burschenschaften, so erklärt er, seien politisch radikal, oft national und rassistisch orientierte Vereinigungen. Von diesen distanzieren sich die Studentenverbindungen deutlich. „Lebenslange Freundschaft und liberale Weltoffenheit, das sind die Grundprinzipien unserer Verbindung“, betont Lerch. Politisches habe in Studentenverbindungen nichts zu suchen. „Wir sind zwar traditionsbewusst aber nicht politisch normiert.“ Und auch von der Nationalität hänge es nicht ab, wer Mitglied im Corps Masovia werden kann. „Vorbei kommen kann jeder, ob er nun Interesse an einer Mitgliedschaft hat oder nur das Corps kennen lernen will.“ Nur wer mit radikalen politischen Meinungen Fuß zu fassen versuche, dem werde schnell klar gemacht, dass er hier nicht willkommen ist. Und wie verhält es sich mit den Frauen? Lerch lächelt. Auf die Frage hat er schon gewartet. Also: Frauen sind beim Corps Masovia immer gern gesehen, nur Mitglieder können sie nicht werden. Ist eine derartige Einstellung nicht etwas rückständig, nicht sogar frauenfeindlich? „Wir sind keine Chauvinisten, die Frauen als schmückendes Beiwerk verstehen“, erklärt Lerch. Zu den regelmäßigen offenen Feiern kommen sehr viele Frauen. Nur eine Mitgliedschaft komme aus Traditionsgründen nicht in Frage. Es gebe auch Studentenverbindungen, in denen nur Frauen Mitglieder sein können. Darum verstehe er nicht, warum bei diesem Punkt die Emotionen immer wieder hochkochen. Vielleicht, weil Studentenverbindungen immer wieder der Vorwurf gemacht werde, Netzwerke zu bilden, so dass bestimmte berufliche Positionen fast nur durch Corpsmitgliedschaft zu erreichen seien? Lerch winkt ab. „Bei uns zählt nicht das Adressbuch. Es geht darum, Freundschaften zu schließen.“ Dass sich die lebenslange Verbundenheit im Corps, das älteste Mitglied ist 99 Jahre alt, auch auf das Berufsleben auswirken könne, daran sei doch nichts auszusetzen. Lerch spricht hier vom „Informationsvorteil“. Wer sich entschließt, Mitglied im Corps Masovia zu werden, der müsse als so genannter Fuchs ein Semester lang eine Art Probezeit absolvieren. Dazu gehört der regelmäßige Besuch des Verbindungshauses, Schulungen und der Fechtunterricht. Gehört der prächtige Schmiss also, die vernarbte Schnittwunde im Gesicht, noch immer zu den Aufnahmeritualen? Doch auch hier muss Lerch mit den Vorurteilen aufräumen. „Es geht nicht um den Schmiss“, klärt Lerch auf. Der Fuchs erlerne den streng reglementierten Fechtkampf, um später das Corps in einem Wettkampf zu vertreten. Kein wildes Aufeinanderlosschlagen sei der Fechtkampf. 30 Gänge umfasse ein Kampf. Pro Gang werden vier bis sechs Hiebe ausgeteilt. Dabei soll der Fechtende den Umgang mit einer Stresssituation erfahren. Wenn er merke, sein Gegenüber ist stärker, muss er versuchen, weiterhin fair zu schlagen und so sein Corps ehrenhaft vertreten. Zum Schmiss kann, muss es aber nicht kommen. Verantwortung übernehmen, Gemeinschaft leben, so versteht sich das Corps Masovia. Die Studenten, die so genannten Aktiven, halten das Haus in Schuss und organisieren Treffen und Verbindungsfeste. Die Alten Herren, die oft schon im Berufsleben stehen, versuchen in ihrem Rahmen das Corps weiterhin zu unterstützen. Und die fürchterlichen Saufgelage? Wenn es danach ginge, könnte mancher Student gar nicht Mitglied werden, erklärt Lerch. Denn einer trinke keinen Alkohol, ein anderer dürfe es aus medizinischen Gründen nicht. Klar werde bei den Sitzungen und Festen auch getrunken, manchmal auch nicht wenig, aber von exzessiven Besäufnissen könne keine Rede sein. Versteht Marc-Torben Lerch trotzdem, dass für viele die Studentenverbindungen, die bunten Schärpen, das so betonte Traditionsbewusstsein auch weiterhin befremdlich wirken? Daran werde sich wohl so schnell nichts ändern, ist er sich sicher. „Aber wir können und wollen es auch nicht jedem recht machen.“ Offen wollen sie bleiben. Auch für kritische Fragen. www.corps-masovia.de

Dirk Becker

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