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Jeremy Scahill über die Kriege der USA
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„Was ist aus dem Gleichgewicht der Macht in den USA geworden?“, fragte Susan Neiman, die Direktorin des Potsdamer Einstein Forums. Zuvor hatte der amerikanische Autor Jeremy Scahill von seinen Recherchen zu seinem neuen Buch „Schmutzige Kriege“ und über den vorangegangenen Bestseller „Blackwater“ berichtet. Es sei schwierig, Obama zu kritisieren, wenn man an sich mit der politischen Position des amerikanischen Präsidenten sympathisiere, stellte Neiman bei der Veranstaltung am Montag fest. Aber die Tötungen von erklärten Feinden der USA mittels Drohnen hätten erst durch den jetzigen Präsidenten ein nie gekanntes Ausmaß angenommen. Auch das Foltergefängnis Guantánamo existiere entgegen politischen Versprechungen Obamas immer noch.
Scahill hat mit den Opfern von Drohnenangriffen und mit somalischen Warlords gesprochen. Im Jemen, in Afghanistan und im Irak hat der Journalist Militärs und Menschen aus der Bevölkerung der Länder interviewt. Als er seinen Bericht über die verheerenden Folgen der „geheimen Kommandoaktionen“, so der Untertitel des neuen Buches, der USA abgeschlossen hat, fragte ein Zuhörer, ob die USA überhaupt noch ein Rechtsstaat sei. „Obama und sein Stab haben es in der Hand. Der Präsident war angetreten, das Land zu ändern, er kann immer noch einen anderen Kurs einschlagen“, antwortete der Autor.
Ausführlich beschreibt Scahill in seinem Buch, wie der amerikanische Staatsbürger Anwar Awlaki Ende September 2011 in Jemen von einer Drohne getötet wurde. Obama verkündete dies der Öffentlichkeit mit den Worten: „Es gab eine Operation im Jemen.“ Awlaki war der Sohn jemenitischer Einwanderer in Amerika und hatte ein Ingenieursstudium abgeschlossen. Nach einer zunehmenden Hinwendung zur Religion und einer Radikalisierung wurde der Vater von fünf Kindern im Jemen unter nicht näher definierten Umständen für längere Zeit inhaftiert. Danach rief Awlaki offen zur Tötung von vermeintlichen Glaubensfeinden auf. Als er durch den ferngesteuerten Drohnenangriff getötet wurde, lag kein Urteil eines amerikanischen Gerichtes vor. In eigener Machtvollkommenheit, folgert Scahill, habe Obama die Hinrichtung als Ankläger, Richter und Henker in einer Person vollzogen.
Dabei sei der Drohneneinsatz, den der US-Präsident in seiner Amtszeit massiv forciert habe, nur die Spitze eines Eisberges von rechtsstaatlichen Ungereimtheiten, die für die Außenpolitik Amerikas gegenwärtig charakteristisch seien. „Die Welt ist ein Schlachtfeld, so sehen amerikanische Politiker sie!“, stellte Scahill fest. Er beschreibt, wie die Angriffe der Drohnen von einem geheimen Kommandostab vorbereitet werden, der keinerlei parlamentarischer Kontrolle unterliege. Niemand müsse sich rechtfertigen, wenn Zivilisten durch einen entsprechenden Angriff unbeabsichtigt getötet werden. Die so verübte Gewalt führe laut Scahill zu einer Radikalisierung in den entsprechenden Staaten, die längerfristig auf die USA zurückschlage.
Der Journalist Scahill hat für seine Bücher im Nahen Osten recherchiert. Er hat mit ehemals Inhaftierten im Jemen und in Somalia gesprochen, die ihren Namen jedoch nie gedruckt lesen wollten. Sie haben ihm von Gefängnissen berichtet, die es offiziell gar nicht gibt und in denen im Auftrag der USA Foltermethoden ausgeübt werden, die in keiner Militärfibel stehen. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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