zum Hauptinhalt

Homepage: Die Welt der Düfte

Der Geruchssinn war Thema am Einstein Forum

Stand:

In Gummistiefeln steht Sissel Tolaas am Ufer des Flusses. Sie beugt sich herab, um den Geruch des Gewässers genauer wahrzunehmen, und sie riecht es deutlich: Kuchen, süße Backwaren. Nicht etwa nach Öl oder Algen riecht der Fluss, an dem Detroit/USA liegt, sondern nach Süßem. Das kann doch nicht richtig sein, sagt sich die Geruchsforscherin und spricht die lokalen Wässerbehörden darauf an. Die beruhigen sie, alles hat seine Ordnung, die örtlichen Kloaken werden parfümiert, damit das Wasser nicht so stinkt. Ob dadurch der Umweltverschmutzung einer Industriemetropole wirklich beizukommen ist, sei dahingestellt. Jedenfalls holen seitdem häufiger Behörden und Unternehmen den Rat der lebhaften Forscherin ein, wenn sie sich nicht sicher sind, ob etwas faul ist mit den örtlichen Gerüchen.

Im Einstein Forum Potsdam gab die Wahlberlinerin Tolaas einen Einblick in ihre weltweite Forscher- und Künstlertätigkeit, bei der alles um das wohl am wenigsten beachtete Sinnesorgan kreist: die Nase. Zum Auftakt einer Veranstaltungsreihe, die sich um die fünf Sinne und möglicherweise auch den sechsten Sinn dreht, hatten sich unlängst Koryphäen der olfaktorischen Zunft versammelt, um den flüchtigen Geruchsmolekülen ihre verdiente und oft unterschlagene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Der Geruchssinn sei der rätselhafteste unserer Sinne, erklärte der Philosoph Tim Jacob: „Erst warnt er uns vor dem angebrannten Toast und dann katapultiert er uns in unsere Kindheit zurück“. Welch immens wichtige Rolle der Geruchssinn spielt, musste die Journalistin und Köchin Molly Birnbaum erfahren, als sie nach einem Unfall plötzlich des Sinnes beraubt war. Sie konnte ihre Ausbildung als Köchin nicht fortsetzen und merkte, dass Anosmie, also der Verlust des Geruchssinns, Auswirkung auf den Geschmack, die Gefühle und auch den Sex hat. „Bis zu 23 000-mal am Tag atmen wir und mit jedem Atemzug nehmen wir Gerüche unserer Umgebung auf“, weiß der Geruchs- und Wirtschaftswissenschaftler Patrick Hehn.

„Der Geruchssinn wird auch in der Philosophie vernachlässigt, aber Gerüche haben eine ungeheuer starke, auch emotionale Wirkung“, stellte Dominic Bonfiglio fest, der das Symposium organisiert hat. Diese Einschätzung bestätigte auch Top-Parfümeur Mark Buxton. „Sexual healing“ ist der Titel einer Sonderedition, die ihren Namen den Bekundungen ihres Createurs zufolge einem bemerkenswerten, gemeinsamen, positiven Erlebnis verdankt, dem sie nachempfunden ist, und die tatsächlich ein wenig nach hübsch kuscheliger Bettwäsche riecht. Im Handel ist sie allerdings nicht erhältlich.

Grundlage für die Kreation eines Parfums seien seine Erinnerungen, sein ganzes Leben, all seine Erfahrungen, erklärte Buxton. All das fließe in den kleinen Flakon hinein, bis sich schließlich ein Gleichgewicht aus verzwirbelten Molekülketten, aus unterschiedlichen Strukturen und Geruchssträngen ergebe. So jedenfalls fasse er sein Handwerk, das im Übrigen jeder erlernen könne, auf. Zufällig schlitterte Buxton in den Beruf, nachdem er eine Fernsehwette zur Erkennbarkeit von Düften verloren hatte. Nachdem der Parfumeur sein Handwerk an der Parfümschule von Haarmann & Reimer in Holzminden erlernt hatte, arbeitete er für zahlreiche internationale Konzerne von Givenchy über Jil Sander bis hin zu Paco Rabanne. Die New York Times schrieb über den von ihm kreierten Duft „2 Man“, dieser sei „nicht nur ungewöhnlich, sondern perfekt“. Mittlerweile hat sich Buxton selbstständig gemacht. Der Parfümeur ist von seiner Zunft offenkundig recht enttäuscht. „Die allermeisten Gerüche werden per Knöpfchendruck am Computer zusammengemischt“, beschwert sich der Fachmann. Die Entstehung von Düften und auch der Konsum von immer zahlreicheren Duftnoten sei schneller geworden. Mittlerweile gebe es rein synthetische Düfte, die selbst seine geübte Nase überzeugen würden. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })