Von Antje Horn-Conrad: Die Welt retten
Max-Planck-Professor Markus Antonietti entwickelt Verfahren zur Bindung von klimaschädlichem CO2
Stand:
Zwei Häufchen Dreck liegen auf dem Tisch, eins schwarz und grobkörnig, das andere feingemahlen wie Kaffeepulver. Es riecht säuerlich nach Verbrennung. Es riecht nach Kohle. „Damit retten wir die Welt!“, sagt Professor Markus Antonietti. Was dem Direktor am Potsdamer Max Planck Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung so locker wie euphorisch über die Lippen kommt, hat einen durchaus realen Hintergrund, denn Antonietti hat eine praktikable Lösung gefunden, mit der die Menschheit zumindest das Klimaproblem in den Griff bekommen könnte. Die Zauberformel dafür heißt hydrothermale Carbonisierung. Ein Verfahren, mit dem sich pflanzlicher Biomüll binnen weniger Stunden und völlig CO2-neutral in Kohle verwandeln lässt. Ein Prozess, der in der Natur bekanntlich Jahrmillionen in Anspruch genommen hat.
Was Prof. Markus Antonietti vor vier Jahren neben seiner eigentlichen Arbeit quasi als Hobbyforschung begann, lässt sich nun schneller in die Tat umsetzen, als der Wissenschaftler gedacht hatte. In Kleinmachnow entsteht gegenwärtig eine Pilotanlage, die schon im kommenden Frühjahr abgemähtes Gras, Äste vom Obstbaumschnitt und Abfälle aus der Biotonne zu Kohle „verkochen“ wird (PNN berichteten). All das, was bislang in der Natur ungenutzt verrottete oder auf dem Komposthaufen von Mikroben zersetzt wurde und dabei Unmengen von Kohlendioxid in die Luft entlassen hat, gelangt hier in einen luftdicht abgeschlossenen „Schnellkochtopf“, in dem es unter hohem Druck und Temperaturen um 180 Grad Celsius unter Zugabe eines Katalysators in Kohlenstoff und Wasser zerfällt.
So entsteht zunächst Humus, dann Torf und schließlich Braunkohle. Sämtlicher Kohlenstoff aus den Pflanzenresten wird im Endprodukt gebunden und verpufft nicht mehr ungenutzt in der Atmosphäre. „Ganz nebenbei entsteht bei diesem exothermen Prozess auch noch Wärme, die für die Anlage selbst oder für andere Zwecke genutzt werden kann“, erklärt Antonietti.
Das Verfahren ist so einfach, dass es sich praktisch überall anwenden lässt: in der städtischen Gärtnerei, in landwirtschaftlichen Betrieben, in jeder Kommune – hier und an jedem Ort der Welt. Da die Anlage ihre eigene Energie produziert, ist sie vor allem auch für Entwicklungsländer geeignet. Mit dem gewonnenen Kohlenstoff können ausgelaugte oder erodierte Böden wieder fruchtbar gemacht werden. „Jeder Gärtner tut das, wenn er Torf in die Erde gibt, um Wasser und Salze besser zu binden“, erklärt Antonietti. Der Kohlenstoffdünger aus dem Schnellkochtopf ist zudem völlig steril. „Bakterien und Schadstoffe überleben die Prozedur des Kochens nicht“, versichert der Chemiker. Werden auf den rekultivierten Flächen schließlich mehr Pflanzen angebaut, so bringt das nicht nur mehr Nahrungsmittel, sondern am Ende auch mehr Biomüll, dessen Kohlenstoff über die hydrothermale Carbonisierung erneut gebunden werden kann.
„Die Kohle lässt sich natürlich auch klassisch verbrennen, was aber kein Beitrag zum Klimaschutz wäre“, sagt Antonietti. Interessanter für ihn ist die Tatsache, dass mit der Methode atmosphärisches CO2 in eine stabile Form gelangt, die sich völlig unkompliziert im Boden lagern lässt. „Das ist allemal besser und ungefährlicher, als das Gas unter die Erde zu pumpen.“ Zudem entfallen die dafür notwendigen Transportwege zu den Lagerstätten. Antonietti ist sich sicher, dass sich die CO2-Bilanz der Erde damit ausgleichen lässt. Allein Deutschland kann seinen CO2-Ausstoß um ein Viertel reduzieren, wenn es beginnt, die noch kaum genutzte Ressource Biomüll zu verwerten. Nicht ohne Grund hat Antonietti kürzlich für seine Arbeit den mit 2,5 Millionen Euro höchst dotierten europäischen Forschungspreis „ERC Advanced Grant“ erhalten. Was ihn treibt, ist die Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen. Deshalb auch hat er inzwischen eine Reihe kleiner „Schnellkochtöpfe“ an Chemielehrer gegeben, damit ihre Schüler im Unterricht Braunkohle kochen und so erfahren können, selbst etwas für das Klima zu tun.
Antje Horn-Conrad
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: