Sport: Die WM längst fest im Visier
Geherin Melanie Seeger kann die Deutschen Meisterschaften in Dresden beruhigt angehen
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Geherin Melanie Seeger kann die Deutschen Meisterschaften in Dresden beruhigt angehen Von Thomas Gantz Der Sonntag war für Melanie Seeger während der vergangenen Jahre viel zu selten einmal so etwas wie ein Familientag. Die achtfache Deutsche Meisterin und Olympiafünfte von Athen verbringt auch den morgigen Tag ohne Kanu-Olympiasieger Tim Wieskötter, mit dem sie seit fünf Jahren liiert und nach wie vor „sehr glücklich“ ist. Die Deutschen Meisterschaften in Dresden stehen an. Melanie Seeger ließ im Vorfeld durchblicken, dass ihr die häufige Distanz zum Lebenspartner als Preis für ein Leben als Spitzensportlerin gilt, den zu bezahlen sie noch bis zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin 2009 bereit ist. „Wir haben uns beide mit dem von Trainingslagern und Wettkämpfen bestimmten Lebensrhythmus arrangiert und freuen uns umso mehr auf die gemeinsamen Stunden.“ Was dann anliegt? Ganz profane Dinge wie Eis essen oder Spazierengehen. Wer genau hinhört, dem entgeht keinesfalls das ausdrückliche Bedauern, mit der die 28-jährige Sportsoldatin vom SC Potsdam diesen privaten Lebensumstand reflektiert. Der sportliche Jahreseinstieg verlief vielversprechend für die Sympathieträgerin der Potsdamer Leichtathletik. Gleich im ersten Anlauf gelang im März bei der Race Walking Challenge in Tijuana (Mexiko) der große Wurf. Melanie Seeger gewann der Weltcup-Auftakt, ließ dabei auch die Olympiadritte Jane Saville (Australien) hinter sich und blieb in 1:30:48 Minuten deutlich unter der Norm, die eine Teilnahme an der im August in Helsinki stattfindenden Weltmeisterschaft erst ermöglicht. Dieser Umstand hat die gebürtige Brandenburgerin in die Lage versetzt, mit einem Gefühl der inneren Ruhe die Saisonhöhepunkte in Angriff zu nehmen. Wer nun meint, dass die erfolgreichste deutsche Geherin der Gegenwart im Training reduzierte Umfänge absolviert oder sich gar dann und wann Schonung auferlegt, irrt. Im Gegenteil, einem Kenner der Szene gilt sie im Training als „ausgesprochenes Arbeitstier“. Gibt es in Zeiten, in denen sich talentierte Leichtathleten allzu schnell mit durchschnittlichem Leistungsstandard bescheiden, ein größeres Eingeständnis des Respekts? Viermal wöchentlich absolviert Melanie Seeger in Begleitung ihres bewährten Trainers Michael Klabuhn einen Kurs vom Luftschiffhafen über Baumgartenbrück nach Ferch und retour. Das Tempo gibt sie selbst vor. Klabuhn, der sie auf dem Fahrrad begleitet, korrigiert dann und wann, motiviert bei Erfordernis und reicht Getränkenachschub. Beide verstehen sich blind und stehen möglicherweise vor dem erfolgreichsten Jahr ihrer Zusammenarbeit. Die Berufssportlerin Melanie Seeger hat nach eigenem Bekunden keinerlei Probleme damit, dass das Gehen als Leistungssport sich nach wie vor in Deutschland ein wenig am Rande der öffentlichen Wahrnehmung bewegt. Die nationalen Meisterschaften in Dresden werden diesen Umstand neuerlich verdeutlichen. Im Wettbewerb über 20 Kilometer werden sich vielleicht zehn, zwölf Frauen einfinden. Melanie Seegers Tempo wird bestenfalls ihre Potsdamer Klubkameradin Sabine Zimmer halten können, die aktuell den deutschen Rekord hält (1:27:52 Minuten) und bei gänzlich anderem Saisonaufbau ihre Anstrengungen auf das Erreichen der WM–Norm fokussiert. Melanie Seeger überraschte gestern mit der Aussage, innerlich keine Probleme damit zu haben, in Dresden möglicherweise nicht zu gewinnen. Erst vor zwei Wochen kehrte sie aus den Höhencamp Flaggstaff (USA) zurück. „Ich brauche danach immer eine gewisse Zeit, um wieder meinen alltäglichen Rhythmus zu finden“, erzählte sie. Wenn es um internationale Meriten geht, will die „Wiedergängerin“ in diesem Sommer jedoch wacher denn je sein.
Thomas Gantz
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