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Ausgesprochen KAPUSTE: Die wüsten Kerle

Bärte sind modern. Auch in Potsdam.

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Bärte sind modern. Auch in Potsdam. Keine Rauschebärte, sondern das, was nach mehreren Tagen oder auch Wochen ohne Rasur die Gesichter überwuchert. Viele machen mit: seriöse Geschäftsleute, lässige Kulturschaffende, drahtige, für den Halbmarathon trainierende Senioren, frustrierte Fans vom SV Babelsberg 03, ja selbst der Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt und der Ministerpräsident eines kleinen ostdeutschen Bundeslandes.

Ich habe mich schon einige Male schüchtern an dieser Mode beteiligt, aber die Versuche immer nach fünf, sechs Tagen abgebrochen. Ich bin kein Überzeugungstäter, sondern nur jemand, der zu faul und zu müde ist, sich jeden Tag nach dem Aufstehen die Bartstoppeln abzukratzen. Eigenartigerweise wurde ich bislang nie auf meinen Bartwuchs angesprochen. Fällt er nicht auf oder denken die Leute, soll er doch, der alte Mann, er hat ja sonst nichts vom Leben?

Ich weiß nicht, wie Frauen grundsätzlich zu Bärten stehen. Ist es ihnen egal, wie wir rumlaufen, oder sagen sie sich, wir färben uns die Haare, und die Kerle lassen sich halt Bärte wachsen? Oder überlassen sie uns mitleidig diese männliche Spielwiese, weil unsere Männlichkeit ansonsten nicht mehr gefragt ist?

Vielleicht aber – ich wage es kaum niederzuschreiben – treffen wir hier auf einen Atavismus, der die Frauen insgeheim, und ohne dass sie es sich eingestehen, erschauern lässt, wenn sie ein viriler Bartträger anbaggert. Vergessen sie, wenn es ihnen kalt über den Rücken läuft, leichtfertig all das, wovor Alice Schwarzer jahrzehntelang gewarnt hat?

Ich nenne es „Atavismus“, weil, wenn meine Vermutung stimmt, die weibliche Psyche viele Jahrtausende zurückkatapultiert würde, zurück in die Menschheitsepoche, die Frank Zander in „Voodoo-Zeit“ als die Zeit besingt, in der Männer noch Männer waren. Damals kamen die wüsten Kerle, beladen mit erlegter Beute und mit zotteligen Bärten und übel riechend nach vielen Jagdtagen in ihre Höhlen zurück und wurden sehnsüchtig von ihren Weibern erwartet. Und das, obwohl diese wussten, dass es bald zur Sache gehen würde.

Tja, wer beantwortet mir diese Fragen? Wer schließt meine Wissenslücke? (Meine Adresse ist der Redaktion bekannt).

Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.

Eberhard Kapuste

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