Sport: Diebe des Moments
Der Störer beim Berlin-Marathon hat einen Vorfahren bei den Olympischen Spielen
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Berlin - Für den engsten Familienkreis war es ein Eklat mit Ansage. Ihr werdet mich nachher im Fernsehen sehen, verkündete der 16 Jahre alte Schüler Norbert Südhaus seiner Familie. Wenig später konnte die Weltöffentlichkeit verfolgen, wie er bei den Olympischen Spielen 1972 in München vor dem Führenden des Marathons ins Stadion lief und sogar noch eine Runde drehte. Dem Olympiasieger Frank Shorter aus den USA hatte er damit den jubelnden Empfang des Publikums im Stadion geklaut.
Der Kenianer Wilson Kipsang hat am Sonntag den Weltrekord im Marathon gebrochen, obwohl er nur als Zweiter durchs Ziel lief. Ein Provokateur war kurz vor ihm auf die Strecke gesprungen und hatte sich neben ihm vorbei mit eitler Pose ins Ziel gestürzt und dabei das Siegerband mitgenommen. „Klar, dieser Zwischenfall wirft einen leichten Schatten auf den Marathon, ansonsten sind wir aber sehr glücklich mit allem“, sagte Renndirektor Mark Milde am Montag.
Der Blick in die Vergangenheit der Störenfriede im Sport hat den Fall für Mark Milde wieder etwas relativiert. „Für Frank Shorter 1972 war es schlimmer, weil er um ein Gänsehautgefühl betrogen wurde. Wilson Kipsang hat uns gesagt, dass er sich nicht betrogen fühlt.“ Am Sonntag hatte der neue Weltrekordhalter aus Kenia sogar erklärt, dass er den Mitläufer für einen Teil der Organisation gehalten habe. Sozusagen als letzter Begleiter für den neuen Titelträger.
Um dem neuen Weltrekordhalter Kipsang noch ein schönes Souvenir aus Berlin mitzugeben, haben die Veranstalter nun noch ein retuschiertes Siegerfoto erstellt. „Da ist der Flitzer nicht zu sehen“, sagte Milde. Der 35 Jahre alte Provokateur ist Italiener und wohnt in Wolfsburg. Mit der Startnummer einer Frau und einem zusammen geklebtem Armband war er in den Zielbereich gelangt. Auf die Frage, woher er die Kleidung habe, sagte er der Polizei: „Ich habe sie gefunden.“ Weil der Veranstalter SCC eine Anzeige erstattet hat, wird jetzt gegen ihn wegen Hausfriedensbruchs ermittelt. Er war der Polizei bislang nicht mit anderen Straftaten aufgefallen.
Die Marathon-Veranstalter hatten nach den Terror-Anschlägen Bereiche der Strecke extra für 170 000 Euro eingezäunt. Immerhin sei der Störer von der Security durchsucht worden, sagte Mark Milde.
Die Sicherheitsmaßnahmen würden im nächsten Jahr verschärft, kündigte Milde an. Das betrifft wohl insbesondere die Sicherheitskräfte im Zielbereich. Auch könnten Bilder des Störers aufgehängt und verteilt werden, der Veranstalter hat ihm Hausverbot erteilt.
Eine kleine Panne musste Milde am Montag noch einräumen: „Es haben Medaillen gefehlt, obwohl wir genügend bestellt hatten.“ 38 000 Plaketten sollten im Ziel warten. 36 500 Läufer kamen an, aber 700 bekamen erst einmal eine Ersatzmedaille. „Wir werden ihnen unaufgefordert die richtige Medaille zuschicken. Es muss irgendwo eine Kiste verloren gegangen sein“, sagte Milde.
Der Störer hat dem Sieger einen Moment des Alleinefeierns gestohlen, aber offenbar nicht die Medaillen. Er wurde schon hinter der Ziellinie festgehalten, bis zu den Medaillen kam er nicht. mit tabu und kku
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