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Grundstücke am Bertiniweg: „Dilettantismus oder Korruption“

Stadt verweigert drei Familien, die auf gepachtetem Bertiniweg-Land Einfamilienhäuser errichteten das Vorkaufsrecht: Die Bertiniweg-Anlieger fordern nun Schadensersatz.

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Nauener Vorstadt - Nach dem Verkauf von knapp 12 000 Quadratmeter Grundstücksfläche am Bertiniweg drohen der Stadt Potsdam nun Schadensersatzforderungen von Anliegern in sechsstelliger Höhe. Der Berliner Rechtsanwalt der betroffenen Grundstückseigentümer am Bertiniweg, Gregor Lethen, hat die Stadt Potsdam „auf ihre Schadensersatzpflicht aufmerksam gemacht“, wie er den PNN gestern sagte. Die Stadt Potsdam habe daraufhin eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, die für die Antwort um eine Fristverlängerung gebeten habe.

Konkret verweigert die Stadt drei Familien, die in den 1990iger Jahren auf von der Stadt gepachteten Bertiniweg-Land Einfamilienhäuser errichteten, die Anerkennung des Vorkaufsrechtes. In einem Eilverfahren vor dem Amtsgericht war einem klagenden Anlieger-Paar das Vorkaufsrecht bereits zugesprochen worden, jedoch kam ein Antrag auf Eintrag dieses Vorkaufsrechtes zu spät (PNN berichteten). Der vollzogene Verkauf von genau 11 604 Quadratmeter Land am Bertiniweg für einen Kaufpreis von 875 000 Euro war einen Tag zuvor beim Grundbuchamt eingegangen und somit rechtskräftig ins Grundbuch eingetragen worden. Der Quadratmeterpreis von 75 Euro und 40 Cent gilt Kennern des Potsdamer Immobilienmarktes als außergewöhnlich niedrig. Der Bodenrichtwert für das betreffene Gebiet am Ufer des Jungfernsees liegt bei 290 Euro pro Quadratmeter. Der Stadtverordnete Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) kündigte gegenüber den PNN eine Überprüfung des umstrittenen Grundstückskaufes durch das Bürgerbündnis an. Kirsch sehr deutlich: Entweder liege „hochgradiger Dilettantismus oder Korruption“ vor. „Merkwürdig“ ist laut Kirsch, dass den Käufern 440 000 Euro Abschlag vom angenommenen Grundstückswert gewährt wurde, um Anlieger und Bungalowbesitzer abzufinden, obwohl zwei Nutzer ihren Pachtvertrag zum Notartermin bereits gekündigt hatten. Kirsch: „Warum hat man dann den Kaufpreis nicht erhöht?“

Rechtsanwalt Lethen bezifferte die Schadensersatzhöhe mit „dem Betrag, den die Stadt unter Wert verkauft hat“. Die knapp 12 000 Quadratmeter Areale am Jungfernsee samt den Grundstücken der Eigenheimbauer veräußerte die Stadt Potsdam für 75,40 Euro pro Quadratmeter an die BTW GmbH bzw. deren Eigentümern. Zu diesem Preis hätte Lethen zufolge auch die klagende Familie kaufen können, wäre ihr von der Stadt das Vorkaufsrecht gewährt worden. Die Stadt habe dieses Vorkaufsrecht durch schnellen Vollzug des Kaufvertrages mit der BTW GmbH jedoch „vereitelt“. Derzeit stünden die Bertiniweg-Grundstücke für 300 bis 450 Euro pro Quadratmeter per Internet-Inserat zum Verkauf. Schadensersatz werde Lethen zufolge erhoben in Höhe der Differenz zwischen dem, was die Familie gegenüber der Stadt hätte zahlen müssen und dem, was sie nun auf dem Immobilienmarkt dafür zahlen müsste. Lethen rechnet daher mit einem Schadensersatz in Höhe von „200 Euro pro Quadratmeter oder mehr“. Die betroffene Familie hat einen Pachtvertrag über 1200 Quadratmeter am Bertiniweg; die Schadensersatzsumme könnte somit mehr als 240 000 Euro betragen. Nach PNN-Informationen wollen auch zwei weitere Familien auf Schadenersatz wegen Übergehens ihres Vorkaufsrechtes klagen, so dass sich die von der Stadt Potsdam gegebenenfalls zu zahlende Schadensersatzsumme noch verdoppeln könnte. Die beiden Familien haben zusammen ebenfalls 1200 Quadratmeter gepachtet.

Wegen der Klagen droht der Bertiniweg-Verkauf für die Stadtkasse „zu einem Nullsummenspiel zu werden“, befürchtet der Stadtverordnete Kirsch. Das juristische Gebaren der Stadt Potsdam sei „eine einzige Katastrophe“. Auch die bündnisgrüne Stadtverordnete Saskia Hüneke findet es „unbegreiflich“, warum die Vorkaufsrechte nicht gewährt wurden.

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