Landeshauptstadt: Disput um das rechte Bild der alten Stadt
Bei „Potsdamer Mitte im Dialog“ wurde über Leit- und Nachbauten diskutiert
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Innenstadt - Das Potsdamer Zentrum erhält in den nächsten zehn Jahren einen Teil sein historisches Gesichts zurück. Rekonstruktion, Nachschöpfung und Neubau waren daher die Themen der Veranstaltung „Potsdamer Mitte im Dialog“ am Donnerstagabend im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.
„Dort, wo es brauchbare Unterlagen gibt, schaffen wir durch Rekonstruktion die Erinnerung und dazwischen bauen wir modern“, fasste Andreas Kitschke das Prinzip zusammen. Die Ensemblewirkung einer Straße sei in jedem Fall entscheidend, sagte der Kirchenhistoriker. Regina Poly vom Potsdamer Gestaltungsrat meinte: „Wir müssen herausfinden, was das Besondere an Potsdams Straßen ist.“ Immerhin lässt sich das „Besondere“ an den vorhandenen barocken Straßen sowie aus Veröffentlichungen wie Christian Wendlands Monografie über Georg Christian Unger unschwer ablesen.
Wie schwierig es im Einzelnen wird, zeigen der Abriss und derzeit fragliche Neubau an der Ecke Friedrich-Ebert-Straße / Yorckstraße. Hier war in der DDR-Ära nach aufwändiger Pfahlgründung das „Haus des Reisens“ entstanden. Der Plattenbau zerstörte die Ensemblewirkung der Straßenfront empfindlich. Nach dem Abriss vor zwei Jahren gab es ein Workshopverfahren, aus dem der Architekt Ingo Schürmann als Primus hervorging. Nach mehreren Umplanungen präsentierte dieser eine Ecke in der Kubatur des Vorgängerbaus mit Glas-Lamellen-Front und „eingeätztem“ Bild des Unger-Entwurfs. Die ungewöhnliche Lösung fand den teilweise begeisterten Beifall aller Beteiligten des Workshops, auch den des Unger-Spezialisten Wendland. Trotzdem kippten die Stadtverordneten den Wiederaufbau in dieser Form, weil sich laut Baubeigeordnetem Matthias Klipp (B90/Grüne) inzwischen die Ansprüche in Richtung einer historische Fassade geändert hatten.
Wie für weitere Grundstücke mit so genannten „Leitfassaden“, sucht nun die Eigentümerin Pro Potsdam GmbH für das Unger-Grundstück einen Käufer und Investor. 1,1 Millionen Euro hat das Unternehmen bereits für das Projekt ausgegeben. Ein Interessent scheint offenbar nicht in Sicht. Professor Ludger Brands von der Fachhochschule zeigte am Donnerstag eigene Entwürfe für einen historisierenden Neubau, die jedoch nach Meinung von Teilnehmern nur schwer den Bezug zum Original empfinden ließen.
Auf der Dialog-Veranstaltung hatten auf dem Podium die sechs Mitglieder des Gestaltungsrates laut Zuhörermeinung „wie ein Oberstes Architektur-Gericht“. Platz genommen. Einführend gab es Vorträge: Christian Wendland über die Anfänge Potsdamer Stadtplanungen, Bernd Albers über den Wettbewerb um die Altstadt von Frankfurt am Main und Ludger Brands über die Nachschöpfung historischer Fassaden. Die Referate boten kompakte Informationen, hunderte Bilder huschten über die Projektionswand. Natürlich mussten die Ratsmitglieder auf dem Podium anschließend zu Wort kommen. So entwickelte sich der zweieinhalbstündige Dialog etwas kopflastig.
Etwa 60 Interessenten, überwiegend bekannte Gesichter aus ähnlichen Veranstaltungen, füllten den Saal. Neuigkeiten hörten sie nicht, obwohl die Fachbereiche Stadterneuerung und -planung mit ihren Leitern sowie der Baubeigeordnete anwesend waren. Es wäre unter anderem interessant gewesen, über den Stand des Bieterverfahrens der innerstädtischen Grundstücke Näheres zu erfahren. Für die Friedrich-Ebert-Straße läuft es dem Vernehmen nach nicht so gut, während es an der Havelseite des Alten Marktes mehrere Interessenten gibt. Dieser Tage sollten die Bewerber ihre Angebote einreichen. Die Entscheidung über die Vergabe fällt im August.
Wie Moderatorin Natalie Gommert ankündigt, werde der nächste Mitte-Dialog Ende April stattfinden. Thema: Neubebauung von Speicherstadt und Brauhausberg. Günter Schenke
Günter Schenke
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