Landeshauptstadt: Doppelgrab unterm Pflaster
Archäologen fanden zwei 5000 Jahre alte Skelette in der Kleinen Fischerstraße / Bergung vorgesehen
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Archäologen fanden zwei 5000 Jahre alte Skelette in der Kleinen Fischerstraße / Bergung vorgesehen Von Günter Schenke Innenstadt. Einen sensationellen Fund machten die Ausgräber der Archäologie-Manufaktur Wustermark in der Kleinen Fischerstraße: Ein 5000 Jahre altes Doppelgrab. Das Besondere daran ist der gute Erhaltungszustand der Skelette. Während die auf dem Alten Markt und an der Schiffbauergasse gefundenen Gräber nur an den Verfärbungen des Bodens erkennbar waren, ist von den unter der Kleinen Fischerstraße Bestatteten „praktisch alles“ vorhanden, berichtet Jonas Beran. „Selbst die kleinen Fingerknochen sind vollständig erhalten“, so der Diplom-Prähistoriker. Auf die Gräber waren die Archäologen gestoßen, als sie im Zusammenhang mit Leitungsverlegungen mit begleitenden Untersuchungen betraut waren. Eigentlich sind diese Arbeiten bereits abgeschlossen. Im Verlaufe der nächsten Wochen sollen die Grabstätten jedoch nochmals freigelegt und die Skelette geborgen werden. „Angeschnittene Befunde dürfen wir über die Baugrenzen verfolgen“, beschreibt Beran die Rechtsgrundlage für das Vorgehen. Normalerweise bleiben die Funde im Boden. Im Falle des Doppelgrabes war es jedoch so, dass ein Teil eines Skelettes – Oberschenkel-, Becken- und Handknochen – entfernt werden mussten, weil sie sich im Verlauf der zu verlegenden Fernwärmeleitung befanden. Die Skelette des Doppelgrabes liegen in einer Tiefe von zwei Metern. Vor 5000 Jahren dürften sie maximal einen Meter tief geruht haben. Die alte Oberfläche habe im Wesentlichen bis 1740 bestanden, erläutert Beran. Dann sei das Areal mit Sand aufgeschüttet worden. Die Pflasterung im 18. Jahrhundert habe eine weitere Erhöhung gebracht. Nach Ansicht der Archäologen handelt es sich um Skelette „jungendlicher Menschen“. Nach dem Verwachsungszustand der Schädelknochen zu urteilen, sollen sie nicht älter sein als zwanzig Jahre. Die Gestalt sei „grazil“, sagt Beran, vermutlich handele es sich um weibliche Knochenreste. Vor 5000 Jahren habe die Durchschnittsgröße bei Frauen bei 150 Zentimetern und bei Männern bei 160 Zentimetern gelegen. Die bemerkenswert gut erhaltenen Skelette liegen eng beieinander, mit dem Kopf jeweils am Knie des anderen. Dass es sich um rituell Bestattete handelt, ist an den Grabbeigaben zu erkennen. Bisher fanden die Ausgräber ein Feuersteinmesser und den Reißzahn eines Hundes. „Es ist damit zu rechnen, dass bei weiteren Grabungen noch andere Grabbeigaben an die Oberfläche kommen“, vermutet Beran. Bisher konnte die völlige Freilegung des Grabes aus technischen Gründen aber noch nicht erfolgen. Auch gestern, als die Ausgräber bereits vor Ort waren, um die Fundstelle aufzugraben, musste der Termin abgeblasen werden, weil die Baufirma die Vorarbeiten noch nicht geleistet hatte. Bereits bei früheren Ausgrabungen konnten an der Kleinen Fischerstraße zwei Grabstätten gefunden werden, allerdings in einem weniger guten Erhaltungszustand. „Jede Mehrfachbestattung ist etwas Besonderes“, bemerkt Beran. Dabei könne von einer gemeinsamen Todesursache ausgegangen werden. Hinweise auf diese finden sich jedoch nicht. Als „Rekord“ verbuchen die Archäologen ein Mehrfachgrab in Ketzin, in dem fünf Tote bestattet wurden. Im Umfeld der „Keimzelle Potsdams“, zu der die Kleine Fischerstraße gehört, sind noch eine Reihe anderer Funde gemacht worden, die aus den Zeiten der frühmittelalterlichen slawischen Burg stammen. „Überraschend war die Zahl, Dichte und Tiefe der slawischen Vorratsgruben, die eine vor allem im 9. und 10. Jahrhundert dicht bewohnte Vorburg-Siedlung belegen“, berichtet Harald Reuße von der Archäologie–Manufaktur. Noch zahlreicher seien die noch tiefer angelegten jungbronzezeitlichen Vorratsgruben. Sie enthalten eine große Menge verzierter Gefäßbruchstücke. An weiteren Funden nennen die Archäologen ein nadelartiges Werkzeug aus Bronze und eine große Pfeilspitze aus Feuerstein. Rätselhaft ist der Fund einer unvollständig erhaltenen römischen Soldatenfibel des 4. Jahrhunderts. Derartige Schmuckstücke dienten zum Zusammenhalten des römischen Mantels und waren Rangabzeichen.
Günter Schenke
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