Von Peer Straube: Doppelsemmeln als Verkaufsschlager
Schmidtkes halten Babelsbergs Bäckereitradition am Leben – und das bereits seit Kriegsende
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Bunte Fische tummeln sich zwischen sanft wiegenden Seeanemonen, dazu blubbert leise der Filter Blasen durchs Wasser. In den zwei gegenüberliegenden Becken verstecken sich ein paar Guppys im Gewirr der Algen.
Mit seinen drei großen Aquarien erinnert der Raum eher an eine Zoohandlung als an ein Büro. „Zur Ablenkung und Entspannung“, sagt Christian Schmidtke und grinst. „Mein Vater und ich sind Fischfans.“ Das Hobby zum Beruf gemacht hat der 30-Jährige aber nicht. Seit fünf Jahren bereits ist Schmidtke Bäckermeister. Seit drei Generationen arbeiten die Männer der Familie mit Mehl, Butter und Zucker. Das Geschäft an der Ecke Stahnsdorfer und Benzstraße in Babelsberg gibt es inzwischen seit rund 65 Jahren, ganz genau lässt sich das nicht mehr nachvollziehen. Noch während des Krieges hat Christian Schmidtkes Opa seinen Meister gemacht, kurz danach zog er aus Fahrland nach Babelsberg, kaufte das Haus und eröffnete seine Bäckerei.
1975 übernahm sein Sohn Rolf-Michael den Laden, der nächste Generationswechsel steht dann in „drei oder vier Jahren“ an. Wie fast überall wurde auch bei Schmidtkes nach der Wende weniger produziert. Als erste Bäckerei Potsdams wappnete sich Schmidtke für die neue Zeit und modernisierte seinen Laden komplett. Das Sortiment ging in die Breite. Zehn verschiedene Brotsorten, Brötchen in einem Dutzend Variationen, dazu die Auswahl zwischen drei bis fünf unterschiedlichen Kuchen. Der Verkaufsschlager ist nach wie vor das Mischbrot, „der Klassiker“, wie Christian Schmidtke sagt. Und die Doppelsemmeln als Reminiszenz an das Markenzeichen der Bäckerei zu DDR-Zeiten – ein bisschen größer als damals sind sie heute allerdings.
Wie bei anderen Potsdamer Traditionsbäckereien leben auch Schmidtkes nicht unwesentlich von der Stammkundschaft. Manche kommen schon seit Jahrzehnten, die Aussicht auf ein frisches Bäckerbrötchen lockt auch die Kinder aus der nahen Goethe-Schule – trotz der Discounter-Konkurrenz. Selbst Weggezogene vermissen die heimatlichen Babelsberger Aromen. Manch einer schreibt seine Wünsche gar aus dem fernen Essen an Schmidtke, „und wir schicken dann hin, was sie haben wollen“.
Die Hiergebliebenen haben den Vorteil, sich von der Nase leiten lassen zu können. Denn gerade jetzt in der Weihnachtszeit stechen Traditionsbäckereien die wie Pilze aus dem Boden geschossenen Backshops aus. „Individuelle, qualitativ hochwertige Produkte bekommt man nur in kleinen Handwerksbetrieben“, sagt Christian Schmidtke selbstbewusst. So zieren die Auslage Dominosteine, Lebkuchenherzen, Stollen, Gebäck im Schneemann-Look oder kleine, vergnügt winkende Marzipan-Weihnachtsmänner. Das Weihnachtsgeschäft lässt auch Bäcker-Kassen heller und schneller klingeln. Denn „die Kunden geben dann mehr Geld aus“. Zum Beispiel für Zimtsterne, eine Spezialität des Hauses.
Trotz Wirtschaftskrise ist Christian Schmidtke zufrieden. „Wenn man einen ordentlichen Laden mit guter Qualität hat, sollte man auch davon leben können“, sagt er. Neun Menschen gibt das Geschäft Arbeit, darunter zwei Azubis. Auch an die für Normalsterbliche ungewöhnliche Arbeitszeit der Bäcker von Mitternacht bis neun Uhr morgens gewöhnt man sich. „Auch, wenn es manchmal ärgerlich ist, wenn die Freunde zur Party gehen und man selber arbeiten muss.“ Eigene Kinder hat Christian Schmidtke zwar noch nicht, aber wenn es soweit ist, hofft er, auch im Herzen seiner Sprösslinge die Liebe zum Teig wecken zu können. Der junge Mann lächelt versonnen. „Eine vierte Generation von Bäckern – das wäre schön.“
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