Landeshauptstadt: Dörfliches Potsdam
Ausgrabungen am Alten Markt erzählen vom mittelalterlichen Potsdam
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Ausgrabungen am Alten Markt erzählen vom mittelalterlichen Potsdam Innenstadt - Von einem Friedhof will Harald Reuße nicht sprechen. Obwohl die fünf Pferde- und vier Schweineskelette, das Skelett einer Kuh und eines Schafes am Alten Markt den Schluss nahe legen. Archäologe Reuße ist der Mann mit der Erfahrung und so fällt seine Erklärung für die toten Vierbeiner dann doch sehr interessant aus. Hinter dem Garten oder dem kleinen Feld haben die Besitzer im 14. Jahrhundert ihre wahrscheinlich verendeten oder in einer kriegerischen Auseinandersetzung getöteten Tiere verscharrt. Der Mensch im Mittelalter war in dieser Hinsicht auch nur ein praktisch denkendes Wesen. Die toten Tiere mussten schnell weg und weit schleppen wollte sie niemand, so Reuße. Seit Mai graben Harald Reuße und neun weitere Kollegen von der Archäologiemanufaktur Wustermark auf dem Alten Markt Reste des mittelalterlichen Potsdams aus. Bevor die Baumaßnahmen zur Neuverlegung von Rohren und der Tieferlegung des Alten Marktes auf sein ursprüngliches Niveau beginnen, haben sie noch bis August die Chance, Geschichte aus dem märkischen Sand zu kratzen. Vier Kellerräume wurde bisher freigelegt. Kellerräume, die auf prächtige, zweistöckige Häuser schließen lassen, erklärt Reuße. Die aus Feldstein und Lehm gebauten Häuser beherbergten Großfamilien. Doch trotz der prachtvollen Häuser fällt Reußes Urteil über die Größe des mittelalterlichen Potsdams ernüchternd aus. „Im Gegensatz zu Siedlungen in Cottbus war Potsdam damals nur ein Dorf.“ Einige hundert Menschen haben hier am Fuße der Burg gelebt. An ihre Häuser grenzten Gärten und Felder, in denen dann die toten Nutztiere ihre letzte Ruhestätte fanden. Über die genaue Größe und Einwohnerzahl der mittelalterlichen Siedlung Potsdam will Harald Reuße noch keine genauen Angaben machen. Der nächste, geplante Ausgrabungsabschnitt direkt vor dem Alten Rathaus lässt weitere Siedlungsspuren erwarten. „Das Bild wächst von Tag zu Tag.“ So wurden in einem Keller Zapfhähne gefunden, die auf manch trinkfreudiges Gelage schließen lassen. In einem anderen Keller stießen die Archäologen auf verkohlte Getreidereste was die Vermutung zulässt, dass diese Haus bei einem Brand zerstört wurde. Neben mittelalterlichen und neuzeitlichen Siedlungsspuren stoßen Reuße und Kollegen immer wieder auf Steinfunde, die eine Besiedlung belegen, die bis 4000 Jahre zurück in die Steinzeit reicht. Erst im vergangenen Jahr wurde ein bronzezeitliches Grab entdeckt. Doch so spektakulär wie dieser Fund sind die Tierskelette wohl nicht. Trotzdem werden sie nicht wieder im Sand verscharrt. Die Knochen kommen in eine Kiste und dann in das Landeshauptarchiv nach Wünsdorf. Mit einer Nummer versehen, finden die Skelette ihre vorläufige Ruhestätte in den Archivregalen, erklärt Reuße. Aber erst nachdem sie von Wissenschaftlern vermessen und untersucht wurden. Dann wird man auch erfahren, woran sie gestorben sind. Vielleicht entpuppen sich die Skelette dann doch noch als spektakulärer Fund.Dirk Becker
Dirk Becker
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