Aus dem GERICHTSSAAL: Drastische Worte ohne Nachspiel Ehepaar wegen Beleidigung vor Gericht
Ab wann sind drastische Worte beleidigend, also strafbar? Und unter welchen Umständen sind sie vom Kampf um das Recht gedeckt?
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Ab wann sind drastische Worte beleidigend, also strafbar? Und unter welchen Umständen sind sie vom Kampf um das Recht gedeckt? Diese Frage hatte das Potsdamer Schöffengericht am Dienstagvormittag zu entscheiden. Konkret ging es um die Dienstaufsichtsbeschwerde eines Marquardter Rentner-Ehepaares an den Oberbürgermeister der Stadt Potsdam, Jann Jakobs (SPD).
Manfred (79) und Helga H. (76) fühlen sich nach eigenem Bekunden von den Behörden im Kampf um die Einhaltung des Naturschutzes im Stich gelassen. Am 22. August 2012 machten sie ihrem Ärger seitenlang Luft und erhielten prompt eine Anklage wegen Beleidigung. Das Gericht sprach das Paar allerdings frei. Es habe zwar heftige und ehrverletzende Begriffe gewählt, diese würden jedoch nicht die Qualifikation einer Schmähkritik erfüllen, begründete die vorsitzende Richterin Cornelia Michalski die Entscheidung.
Laut Anklage bezichtigten die Marquardter in der Dienstaufsichtsbeschwerde die Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde und deren Vorgesetzte als Pseudo-Naturschützer, die sich der „terrorartigen Bespitzelung von Grundstückseigentümern“ sowie der Förderung, Duldung, Begehung und Nichtverfolgung schwerster Umweltkriminalität schuldig gemacht hätten. Außerdem hieß es laut Anklage in dem Schreiben wörtlich: „Die Untere Naturschutzbehörde ist weit entfernt von ihren eigentlichen Aufgaben, willfährig und offenbar mit großer Begeisterung als Werkzeug dieser außerordentlich zweifelhaften Personen tätig und fördert als strafbare Gegenleistung deren Belange.“
Hintergrund sind jahrelange Querelen des 2006 nach Marquardt gezogenen Ehepaares mit einigen Nachbarn. Diese hatten den 79 Jahre alten Manfred H. und seine sieben Jahre jüngere Freu Helga beschuldigt, zwischen September 2011 und Juli 2012 auf ihrem Grundstück im Naturschutzgebiet Obere Wublitz rund 800 Quadratmeter Erde – das entspricht rund 44 vollbeladenen Lastwagen – verteilt und illegal eine Anzahl kleiner und größerer Schwarzerlen gefällt zu haben. Durch diese nicht genehmigten Aktivitäten seien 450 Quadratmeter Moorboden entwässert, die typische Vegetation vernichtet und der Lebensraum vieler geschützter Vögel wie Kornweihe, Kranich oder Fischadler nachhaltig geschädigt worden, hieß es damals. Die beschuldigten Eheleute bestritten die Vorwürfe.
Dennoch mussten sich Helga und Manfred H. Anfang des Jahres wegen des vorsätzlichen Eingriffs in die Natur vor Gericht verantworten. Das Potsdamer Schöffengericht verurteilte sie unter anderem wegen Beeinträchtigung eines Biotops zu einer Geldbuße von insgesamt 3500 Euro (PNN berichteten). „Diese Entscheidung habe ich bis heute nicht verstanden“, sagte der 79-Jährige während der Verhandlung am gestrigen Dienstag. „Und wie wir das Geld aufbringen sollen, weiß ich auch nicht.“ Laut eigener Aussage lebt das Paar von einer kleinen Rente und wird zusätzlich finanziell von seinen vier Kindern unterstützt. Hoga
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