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Landeshauptstadt: Drei Anrufe bis zur Toilette

Der Weberpark hat seine behindertengerechten WCs abgeschlossen – wegen des Vandalismus. Die Betroffenen beschweren sich

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Der Weberpark hat seine behindertengerechten WCs abgeschlossen – wegen des Vandalismus. Die Betroffenen beschweren sich Babelsberg - Im Untergeschoss des Babelsberger Einkaufszentrums Weberpark befinden sich die Besucher-Toiletten – und daneben geräumige Behindertentoiletten, die einfach per Fahrstuhl zu erreichen sind. Zudem wird der Bereich zur eigenen Sicherheit videoüberwacht. Alles in Ordnung, so scheint es. Doch seit etwa drei Wochen sind die Behinderten-WCs verschlossen. An der Tür hängt ein Schild: „Benutzung im Bedarfsfall über Haustechnik und Wachschutz möglich.“ Darunter steht eine Telefonnummer. Dieses Vorgehen stößt bei behinderten Potsdamern auf Kritik. Behinderte seien als Randgruppe schon benachteiligt genug und mit dem Toilettenzugang nur per Anruf würde ihnen eine weitere Hürde im öffentlichen Leben gebaut, sagt Rollstuhlfahrer Kai Okurka. Erika M., die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist ebenfalls Rollstuhlfahrerin – und an diesem Vormittag zufällig im Weberpark einkaufen. Um zu zeigen, für welche Schwierigkeiten die verschlossene Toilettentür sorgt, simuliert sie den „Ernstfall“. Mit dem Fahrstuhl geht es langsam in das Untergeschoss. An der großen Brandschutztür hat Erika M. erste Probleme. Erst nach drei Versuchen schafft sie es, die Tür zu öffnen. „Und wenn man das in seiner Not nicht weiß, kommt ja dann noch die zweite Tür“, sagt sie entrüstet. Vor der verschlossenen Toilettentür ruft die Rollstuhlfahrerin die angegebene Telefonnummer an. Wohlgemerkt auf eigene Kosten. Plötzlich ertönt ein Besetzt-Zeichen. Der erste Versuch schlägt fehl. Beim zweiten Anruf versagt im Untergeschoss das Mobilfunknetz. Mit dem Rollstuhl muss Erika M. nun wieder durch die Brandschutztür und ins Erdgeschoss fahren. Die Blase drückt. Ein dritter Anruf. Der Sicherheitsmann am anderen Ende der Leitung sagt, dass er sofort kommen werde. Nach dreieinhalb Minuten erscheint er mit einer Kombizange in der Hand, für das Türschloss. Etwas verdutzt angesichts der „Ernstfall-Probe“ öffnet er das Vierkantschloss an der Tür zum Klo. Die Toilette ist sauber und halbwegs ordentlich. Theoretisch bräuchte ein Rollstuhlfahrer jetzt noch einige Zeit, um sich zu entkleiden und anschließend mittels Stützvorrichtungen auf die WC-Schale zu gelangen. Insgesamt hätte der Vorgang mit drei Anrufen und drei Fahrstuhlfahrten 15 Minuten gedauert. Im dringenden Fall zu lange. „Ich finde es eine Zumutung“, erklärt Erika M. Okurka sieht das genauso: „Das ist eine Schweinerei, so was kann man mit Behinderten nicht machen.“ Er selbst besitzt wie viele andere Behinderte kein Mobiltelefon, Er fordert, dass die Behindertentoiletten offen stehen wie alle anderen auch. „Es geht nicht um Diskriminierung“, versichert dagegen der Sicherheitsmann. Schließlich sei während der Öffnungszeiten des Weberparks immer jemand unter der Toiletten-Rufnummer erreichbar. Warum die Tür verschlossen ist, erklärt ein Mitarbeiter der Weberpark-Hausverwaltung: „In den Behinderten-WCs waren Leute, die dort nicht hingehören. Wir fanden häufig Spritzbestecke und die Klos waren ständig verstopft. Obdachlose haben sich dort gewaschen oder dort geschlafen.“ Dadurch sei eine Benutzung unzumutbar geworden. Daher habe sich die Verwaltung gezwungen gesehen, die Tür abzuschließen. Dabei schien die Toiletten-Rufnummer die beste Lösung: „Wir wollen den Behinderten die Toiletten nicht vorenthalten, sondern frei halten.“ Die Betroffenen würden dies wohl verstehen. Allerdings gibt es nach deren Meinung bessere Lösungen als den Zugang per Telefonanruf. Okurka: „Vielleicht installiert die Haustechnik einfach eine Klingel mit Sprechfunktion.“

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