Landeshauptstadt: Drei Kisten mit „Aller Welt
Brandenburgs einziges Postsachenauktionshaus hatte zur Versteigerung eingeladen
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Karlfried Krauß und Michael Jasch sind wohl die einzigen Potsdamer, die an nur zweimal zwei Tagen ihren Jahresunterhalt sichern. Im Frühjahr und im Herbst lädt ihr Philatelistisches Büro weit draußen im Apfelweg an der Kirschallee zur Auktion ein, und da gehen Briefmarken und Postsachen in Millionenumfang über den Tisch. In dieser Woche war es wieder so weit: Nachdem sich die Interessenten ab Montag die feilgebotenen Schätze ansehen durften, schwang Jasch am Mittwoch und am gestrigen Donnerstag den Auktionshammer.
Im rappelvollen Saal fliegen die Gebote durch die dicke Luft: „Los 2506 - Ausrufwert 250 Euro, 255, nein, es wird mindestens um 20 erhöht, dort 260, hier höre ich 300 “ und bei 780 Euro wird schließlich der Zuschlag an den Bieter mit der Nummernkarte, sagen wir, 261 erteilt. Flott geht es voran, nur manchmal muss der Auktionator etwas nachhelfen: „Los 2505 – kein Gebot? Bedenken Sie, drei Bananenkartons mit ,Aller Welt’“
Tatsächlich, Dutzendware wird hier kartonweise versteigert, bestätigt ein Blick in den zu jeder Auktion erscheinenden Katalog, wo das Los 2506 als „Auflösungsposten Alle Welt vor und nach 1945“ mit 500 Stück sortierten, ungebrauchten Hindenburg-Ganzsachen, Marken aus den englischen Kolonien und einigen Münzen klassifiziert ist. Nicht immer bieten Sammler, die natürlich in der Bananenkiste auf einen wertvollen Zufallsfund hoffen, sondern oft auch Händler, die mit diesen Posten ihr Angebot komplettieren. Drängt sich bei der Versteigerung solcher Sammlungen das Publikum, ging es beim Angebot von Einzelstücken gestern am zweiten Auktionstag ruhiger zu. Im Flur hat Krauß die Kopie eines „4-Pfg.-Entgeltbriefes“ der Berliner Victoria-National-Invaliden-Stiftung von 1866 aufgehängt, das mit seinerzeit 85 000 DM bisher den höchsten Preis brachte.
Doch auch zum Jubiläum – das Potsdamer Philatelistische Büro besteht 15 Jahre – gab es lukrative Angebote, allen voran eine 140 Lose umfassende Privatsammlung Mecklenburg-Schwerin ab 1856; allein der Brief mit dem ersten deutschen Einkreisrundstempel, 1810 in Schwerin aufgedrückt, stand mit einem Ausrufpreis von 2000 Euro im Katalog. Ein eigenhändiger Brief der Königin Luise, in dem sie 1807 ihrem zwölfjährigen Sohn, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV, die Unbilden der Flucht vor Napoleon beklagt („Ich habe entsetzlich gelitten von Kudyllen hierher“) oder Kriegsgefangenenpost der ab 1914 in Nanking internierten Besatzung des Torpedobootes S 90 waren natürlich nicht für einen Appel und ein Ei zu haben.
Erst spätabends legte Auktionator Michael Jasch gestern den Hammer aus der Hand. Der promovierte Betriebswirtschaftler, anerkannter Gutachter für Briefmarken aus der Sowjetischen Besatzungszone, weiß natürlich genau so gut wie der einstige Meliorationsingenieur Karlfried Kraus, der nach der Wende sein Hobby zum Beruf gemacht hat, dass damit das einzige Auktionshaus dieser Art im Land Brandenburg nicht in den Winterschlaf versinkt.
Bis zur nächsten Versteigerung Anfang Mai werden wieder Angebote eingeholt, geprüft und in einen neuen Katalog aufgenommen. Hinzu kommt die individuelle Beratung, denn mancher möchte mit Opas Briefmarkenalbum oder der eigenen Kindersammlung reich werden. In den meisten Fällen reicht der Wert aber nicht einmal aus, um in die Auktion aufgenommen zu werden. „Dennoch sollten sich potenzielle Verkäufer zuallererst an uns wenden“, meint Karlfried Krauß. „Wird ein Angebot angenommen und versteigert, kann der Verkäufer in jedem Fall mit einem fairen Preis rechnen.“
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