Landeshauptstadt: Drei Monate Haft als „Zugabe“
Anklage: Palästinenser bedroht und beleidigt/ 18-fach Vorbestrafter aus Gefängnis vorgeführt
Stand:
Anklage: Palästinenser bedroht und beleidigt/ 18-fach Vorbestrafter aus Gefängnis vorgeführt AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Im Herbst vorigen Jahres war Markus Sch. (30) noch jeden Tag voll bis zum Stehkragen. Derart abgefüllt ließen ihn Recht und Gesetz ziemlich kalt. Der Potsdamer trank seit gut zehn Jahren, wurde während dieser Frist 18-mal u. a. wegen mehrfacher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Betruges, Beleidigung, Bedrohung, Hausfriedensbruchs sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Gefängnisaufenthalte fruchteten lange nicht. Dann zog er die Notbremse, bemühte sich um eine Alkoholentziehungstherapie, gründete eine Familie. Die freute sich gestern offensichtlich, ihr Oberhaupt – wenn auch in Handfesseln aus der Justizvollzugsanstalt Cottbus vorgeführt, wo er er eine 14-monatige Haftstrafe aus seiner „wilden Zeit“ absitzt – im Amtsgericht wiederzusehen. Neben ihm auf der Anklagebank: Matthias R. (25), auch er kein unbeschriebenes Blatt in Justizkreisen. Im Bundeszentralregister-Auszug des Kahlgeschorenen finden sich Eintragungen wegen Unfallflucht, Vortäuschens einer Straftat, gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Beleidigung. Um Beleidigung sowie Bedrohung ging es auch beim gestrigen Prozess. Der Staatsanwalt warf den Potsdamern vor, am Abend des 21. Oktober 2002 am Dönerimbiss in der Galileistraße einen Palästinenser als „Arschloch“, „Scheiß-Araber“ und „Wichser“ betitelt zu haben. Matthias R. soll dem Ausländer zudem gedroht haben, ihn umzubringen. „Ich weiß nur noch, dass es plötzlich einen Tumult am Imbiss gab“, erinnerte sich Matthias R. Dessen Anlass läge für ihn allerdings im Alkoholnebel. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dem Palästinenser in Aussicht gestellt habe, ihn umzubringen.“ Amtsrichterin Kerstin Devriel allerdings wollte nicht glauben, dass der kräftige Angeklagte mit 2,13 Promille unter totalem Bewusstseinsschwund leide, zumal ihm der Arzt, der damals die Blutentnahme durchführte, klares Bewusstsein sowie einen geordneten Denkablauf bescheinigte. Markus Sch. – obwohl mit 2,37 Promille noch stärker „angeschlagen“, berichtete von einem Wortgefecht, dass sich sein Kumpel Matthias R. mit einem Ausländer geliefert habe. Wieso dessen Freundin die Polizei rief, sei ihm völlig unklar. „Der Ausländer stellte sich vor uns hin und erklärte, er sei Palästinenser. Ich habe ihm gesagt, das ist mir egal. Er soll kein Theater machen und verschwinden“, so Markus Sch. Beim Betreten des Döner-Imbisses sei er von den Angeklagten „böse angeguckt“ und gefragt worden, wo er herkomme und was er wolle, berichtete Saer K. (19) im Zeugenstand. Als er seine Herkunft offenbarte, seien ihm von den Angeklagten wechselseitig besagte Beschimpfungen um die Ohren gehauen worden. Markus Sch. habe auch noch gesagt: „Ihr Scheiß-Araber, legt eure Bomben nicht hier. Geht zurück nach Hause“, so der Schüler. Und Matthias R. habe ihm gedroht, ihn umzubringen. „Er wollte auch, dass ich mit ihm nach draußen komme, damit wir uns prügeln.“ Markus Sch. – – wurde wegen Beleidigung zu weiteren drei Monaten Gefängnis verurteilt. Matthias R. erhielt wegen Beleidigung und Bedrohung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Gabriele Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: