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Für und wider von Ballaststoffen: Ernährungsforscher empfehlen täglich 30 Gramm Vollkorn und Obst Erst die Kombination von gesunden Faktoren zählt
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Ballaststoffe senken das Darmkrebsrisiko, das hat Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke vor drei Jahren nachgewiesen. Eine neue Meta-Analyse aus Boston hat den Zusammenhang in diesem Jahr nun in Frage gestellt. Konkurrenz belebt den wissenschaftlichen Diskurs, meint Prof. Heiner Boeing. Deshalb findet es der Epidemiologe vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) langweilig, wenn die eigenen Forschungsergebnisse nicht früher oder später in Frage gestellt werden. Eine solche Situation bot sich dem Forscher erst Ende vergangenen Jahres.
Im Rahmen der europäischen EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), die weltweit größte prospektive Untersuchung, hatten Boeing und sein Team im Jahr 2003 eine seit langem kontrovers diskutierte Hypothese nachgewiesen: Ballaststoffreiche Kost schützt vor Darmkrebs. Die aus zehn europäischen Ländern und an 434 209 Teilnehmern erhobenen Daten ergaben, dass das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken, um 40 Prozent gesenkt werden kann, wenn die Ballaststoffzufuhr einer Testperson statt 15 Gramm 35 Gramm pro Tag betrug.
Seit Dezember vergangenen Jahres darf die positive lineare Wirkung von Ballaststoffen erneut angezweifelt werden. In einer Meta-Analyse, sie umfasst 13 prospektive Patientenstudien, kamen Epidemiologen von der Harvard School of Public Health in Boston zu einer deutlich neutraleren Bewertung.
„Zu unserer Arbeit gehört es, Daten zu interpretieren“, sagt Prof. Boeing. Durch die Ergebnisse der Bostoner Meta-Analyse muss der Forscher seine eigenen Interpretationsansätze neu überdenken. Für den Wissenschaftler ein Grund zur Freude, denn nur so können Forschungsmodelle permanent verbessert werden. Den Verbraucher beschleicht hingegen Ratlosigkeit. Wie viel ballaststoffreiche Kost – also Müsli, Vollkornbrot und Gemüse – soll er zu sich nehmen?
„Wir haben weiterhin gute Beweise, dass Ernährung wichtig für eine gesunde Lebensweise ist“, unterstreicht der Epidemiologe. Fraglich sei allerdings, ob Darmkrebs tatsächlich auf einzelne Ernährungsfaktoren – wie etwa Ballaststoffe – reduziert werden könne. „Wissenschaftliche Studien basieren eben nur auf theoretischen Modellen“, so der DIfE-Forscher. Um einzelne Faktoren oder Kausalzusammenhänge zu untersuchen, müssen die Ernährungswissenschaftler andere Risikofaktoren wie beispielsweise Rauchen, Körpergewicht, Größe oder Ernährungsverhalten in ihre Überlegungen einbeziehen. Die Forscher haben Methoden, um diese Unterschiede ihrer Probanden rechnerisch anzugleichen. Unsicherheiten aber bleiben. Ein komplexes Feld, mit dem es die Wissenschaftler zu tun haben. „Wir sollten uns daran gewöhnen, dass es die einfache Antwort so schnell nicht geben wird.“ Auch die genetische Veranlagung für Erkrankungen spiele eine Rolle, so Boeing. Die ist für die Wissenschaftler allerdings noch Neuland.
Boeings Ratschlag für den Verbraucher klingt folglich wenig neu und fast banal: Erst die Kombination unterschiedlicher gesundheitsfördernder Maßnahmen bietet gute Chancen, den Krebs möglichst lange hinauszuschieben. Nicht der einzelne Faktor, sondern der gesamte Lebensstil muss unter die Lupe genommen werden. Wer also nicht raucht, sich gesund ernährt, Sport treibt und keine überflüssigen Pfunde mit sich herumträgt, tut seiner Gesundheit bekanntermaßen viel Gutes. Dazu zählt auch, die tägliche Ration von etwa 30 Gramm Ballaststoffen, so die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Das entspricht etwa drei Scheiben Vollkornbrot (10,2 g), vier Möhren (13,6 g), eine Tasse Vollkornnudeln (3,2 g) und einer Banane (2,7 g). Ob es allerdings genau 30 Gramm sein müssen, stellt Heiner Boeing in Frage. „Die Meta-Analyse hat in dieser Hinsicht einen interessanten Zusammenhang aufgezeigt“, so der Forscher. Nur bei Studienteilnehmern, die täglich weniger als 10 Gramm zu sich nahmen, konnten die Harvard-Epidemiologen ein ansteigendes Darmkrebsrisiko nachweisen.
Wer aber dennoch pro Tag 30 Gramm Ballaststoffe zu sich nimmt, kann – trotz widersprüchlicher Studien – nicht viel verkehrt machen. Denn die für den menschlichen Organismus unverdaulichen Stoffe regen nicht nur die Verdauung an, sondern sie begünstigen auch eine intakte Darmflora und beugen Darmerkrankungen vor. Außerdem, daran besteht unter Epidemiologen derzeit kein Zweifel, verhindern Ballaststoffe das Risiko für Gefäßerkrankungen wie Herzinfarkt und Diabetes mellitus Typ 2 vor. Denn sie beeinflussen den Glucosestoffwechsel und somit die Insulinwirkung im Körper positiv. Bei einer hohen Ballaststoffaufnahme steigt der Glucosespiegel nach einer Mahlzeit langsamer an. Damit sinkt auch das Risiko für das so genannte metabolische Syndrom, das mit erhöhten Blutfett- und Blutzuckerwerten, Bluthochdruck und bauchbetontem Übergewicht einhergeht.
Tanja Greiner
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