Bahnhof Drewitz: Drewitzer wollen ihre Ziegen zurück
Anwohner bedauern das Verschwinden der Ziegen vom Bahnhof Drewitz. Der Besitzer hat die Tiere aufgrund wiederholter Beschwerden abgegeben.
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Schon seit ihre Tochter vor fünfeinhalb Jahren geboren wurde, geht sie mit ihr mindestens einmal pro Woche die Ziegen am Bahnhof in Drewitz füttern: „Die sind einfach schon immer da“, sagt Nancy Kügler. Vor wenigen Tagen aber staunten Mutter und Tochter nicht schlecht, als die Koppel am Parallelweg leer stand: Die Tiere waren verschwunden.
Jahrelang waren die Ziegen für Familien ein beliebter Anlaufpunkt, Kita-Gruppen unternahmen Spaziergänge zu der kleinen Wiese, Kügler weiß selbst von einer älteren Dame, die jeden Tag mit Futter vorbeikam. „Der halbe Stern hat diese Ziegen gefüttert. Jeder brachte seine Kartoffelschalen oder einen Kopfsalat mit und hat Löwenzahn gepflückt“, sagt die 34 Jahre alte Potsdamerin: „Wir sind alle todtraurig.“ Vor allem wüssten viele Eltern nicht, was sie auf Nachfragen ihrer Kinder antworten sollen.
Da kann Jörg Enderling die Tierliebhaber beruhigen: Seine Ziegen sind wohlauf und haben auf einem anderen Hof in Potsdam-Mittelmark ein neues Zuhause gefunden. „Die Ziegen werden nicht geschlachtet“, sagte der Inhaber der Pension Filmeck Apartments den PNN. Die Tiere habe er sich vor acht Jahren als Hobby angeschafft, zuletzt waren es fünf. „Es war schon eine Attraktion“, sagt er. Jedoch habe er auch immer wieder Beschwerden bekommen – vom Ordnungsamt und von der Tierrettung Potsdam etwa. Daran habe ihn vor allem gestört, dass der Amtstierarzt nie das direkte Gespräch gesucht habe. Stattdessen landeten immer unpersönliche Beschwerdeschreiben in seinem Briefkasten. „Irgendwann dachte ich mir: Jetzt reicht’s“, sagt Enderling. „Es war als ein Hobby geplant, das Spaß machen soll, aber ich hatte immer nur Ärger damit.“ So zog er die Konsequenzen und gab die Tiere ab. „Ich weiß, dass viele Potsdamer sich nun ärgern werden“, sagt er. Oftmals haben die Tiere das von ihm bereitgestellte Heu oder frisch gepflücktes Gras liegen lassen – so satt waren sie von der guten Versorgung der Spaziergänger.
Doch auch das gut gemeinte Futter führte zu einer Beschwerde: Denn ein junges Tier erkrankte an einer Kolik. Wie Michael Breuer, der Vorstandsvorsitzende der Tierrettung Potsdam den PNN sagte, war sein Team wegen der Schreie der jungen Ziege gerufen worden. Die Tierschützer verständigten den Besitzer. Als dieser eintraf, starb das Tier. „Ich vermute, jemand hat übermäßig Kohl oder Brot gefüttert. Das löst Koliken aus“, sagt Breuer. Ansonsten hätten es die Ziegen Enderlings „relativ gut gehabt“. Dem Besitzer sei kein Vorwurf zu machen. „Ich denke, die Unvernunft der Leute, auch wenn sie aus gutem Willen füttern, hat zum Tod der Ziege geführt.“ Dennoch begrüßt er es, dass sie jetzt umgesiedelt wurden. „Der Lärm an der Straße, die Menschen, die ständig vorbeikamen – die Tiere sind ja nie zur Ruhe gekommen“, meint er. Sollte Enderling die Tiere zurückholen, empfiehlt Breuer Hinweisschilder, auf denen erklärt wird, was gefahrlos gefüttert werden kann.
Denn die Anwohner hoffen, Enderling mit einer Unterschriftensammlung umstimmen zu können. Jacqueline Bäckers, die unweit des Bahnhofs Medienstadt Babelsberg wohnt, hat die Listen gedruckt und beim Softeisverkäufer ausgelegt. Diesen Verkaufsstand am Bahnhof haben viele Ziegenfans oft nach dem Füttern besucht. „Die Ziegen waren doch bekannt“, erklärt die 36 Jahre alte Mutter einer kleinen Tochter. Bäckers und die anderen Familien hoffen, dass zahlreiche Unterschriften zusammenkommen. „Wir wollen unsere Ziegen zurück“ – mit diesem Slogan sind die Zettel gekennzeichnet. Außerdem sind die Kinder aufgerufen, Bilder mit Ziegen zu malen, die dann an dem Zaun aufgehängt werden sollen.
Tierbesitzer Enderling selbst sagt, dass er durchaus Lust habe, die Ziegen zurückzuholen – wenn die Beschwerden ausbleiben. Anne-Kathrin Fischer
Anne-Kathrin Fischer
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