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100 Jahre Kontinentaldrifttheorie: Alfred Wegeners Vorstellungen wurden mittlerweile mehrfach revidiert

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Am 6. Januar 1912 hat Alfred Wegener seine Theorie der Kontinentaldrift erstmals öffentlich vorgestellt. Zum 100-jährigen Jahrestag hat das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) nun den aktuellen Forschungsstand der Entstehung der Kontinente und Ozeane bilanziert. Es zeigt sich, dass Wegeners bahnbrechende Theorie vom auseinanderbrechenden Urkontinent Pangaea, der als Kontinente über die Erde driftet, seitdem einige wesentliche Revisionen erfahren hat.

Die Fundamente für die Plattentektonik wurden eigentlich erst durch die Seismologie in den 50er Jahren und durch Forschungsbohrungen auf den Ozeanen in den 60er Jahren gelegt. Wodurch Wegners Theorie bereits ins Wanken geriet. Die gewonnenen Bohrkerne zeigten nämlich, dass kein Stück des Ozeanbodens älter war als 200 Millionen Jahre und damit entschieden jünger, als Wegener angenommen hatte. Kontinentale Gesteine hingegen erreichen mehr als vier Milliarden Jahre Alter. Auch ergab sich, dass in unmittelbarer Nähe der mittelozeanischen Rücken der Ozeanboden sehr jung ist.

„Diese Ergebnisse ließen eigentlich nur eine Interpretation zu. Aus dem Erdinnern steigen an diesen Rücken heiße, flüssige Gesteine auf und drücken den Ozeanboden zur Seite weg“, erläutert Ulrich Harms, der am GFZ das „Zentrum für Wissenschaftliches Bohren“ leitet. „Nicht die Kontinente driften, sondern ganze tektonische Platten, die aus Ozeanböden und Kontinenten bestehen.“

Alle diese Befunde stellten in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre Wegeners geniale Entdeckungen in den korrekten Zusammenhang und zugleich seine Theorie vom Kopf auf die Füße: „Nicht nur seine Annahmen zum Alter von Ozeanen und Kontinenten wurden komplett umgekehrt, auch die Vorstellung, dass die Kontinente durch die Ozeane pflügen, dreht sich dahingehend um, dass Kontinente und Ozeane als gemeinsamer oberer Teil der Lithosphärenplatten sich zusammen bewegen. Die Kontinente als leichteste Gesteine schwimmen sozusagen oben auf“, so die Potsdamer Geowissenschaftler in einer Denkschrift zum Wegener-Jubiläum.

Diese tektonischen Platten bewegen sich, kollidieren miteinander, reiben aneinander vorbei oder driften auseinander. Alle diese Prozesse sind mit Erdbeben verbunden, die sich so als Teil des Gesamtprozesses erklären lassen. Offen blieb aber die Frage, was schweres Gestein im Erdinnern zum Aufstieg bringt? Die enorme Hitze, die sich im Erdkern und im Erdmantel befindet, stammt zum Teil noch aus der Entstehung der Erde, zum anderen aus dem radioktiven Zerfall von Elementen im Erdmantel. „Das dadurch erhitzte Gestein steigt auf und setzt damit die Bewegung in Gang, die sich auf der Erdoberfläche als Verschiebung der Platten äußert“, heißt es vom GFZ. „Wir kennen diesen Prozess heute als Plattentektonik, die das Wissenschaftsmagazin ,New Scientist’ gleichberechtigt neben die Evolutionstheorie und die Relativitätstheorie stellt.“ Ein Prozess, den GFZ-Vorstand Reinhard Hüttl in seinem jüngst erschienen Buch „Ein Planet voller Überraschungen“ (Spektrum, Akademischer Verlag) anschaulich und detailgenau beschreibt.

Die klassische Auffassung der Tektonik als mechanischer Prozess von der Bewegung und Kollision starrer Platten ist nach Ansicht der GFZ-Forscher mittlerweile selbst in Auflösung begriffen. „Neuere Erkenntnisse zeigen die Plattentektonik als ein sich selbst regulierendes System von Wechselwirkungen, in dem alle Subsysteme des Planeten Erde mitwirken“,erklärt dazu Professor Onno Oncken. „Es handelt sich nicht um ein quasi mechanisches System, sondern um ein komplexes, rückgekoppeltes System.“ Als Beispiel nennt er das Klima: „Dass das Klima die Tektonik steuert, ist eine neue Erkenntnis.“

Die klassische Vorstellung eines Faltengebirges als Resultat eines Zusammenstoßes sei überholt. „Die Anden beispielsweise, in ihrer heutigen Form, existieren erst seit rund 45 Millionen Jahren, das Abtauchen der Nazca-Platte unter Südamerika dauert schon seit dem Paläozoikum an, also Hunderte von Millionen Jahren länger“, so Onno Oncken. Ebenso sei das Wechselspiel zwischen den aufsteigenden heißen Gesteinsmassen und der Erdkruste viel komplexer, als ursprünglich angenommen. Steigt eine heiße Gesteinsblase auf, so entstehe ein Hitzestau, der schließlich wie ein Schweißbrenner ganze Kontinente bis zur Auflösung durchweichen könne – etwa vor 140 bis 130 Millionen Jahren, als der Urkontinent Gondwana zuerst im Osten, dann im Westen auseinanderbrach.

Damals trennte sich auch Südamerika von Afrika, es waren aber genau die Konturen dieser beiden Kontinente, die Wegener auf seine Idee brachten. „Wegeners Ansatz war der Startpunkt, die Plattentektonik des vorigen Jahrhunderts die Revolution in den geowissenschaftlichen Auffassungen. Heute sehen wir eine ebenso gründliche, leise Revolution in der Theorie der Plattentektonik, weil wir unseren Planeten zunehmend als ein Gesamtsystem verstehen.“ PNN

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