Landeshauptstadt: Druck auf CDU wächst
Streit um Brief an Opfer-Familie: SPD fordert zur Unterschrift auf
Stand:
Im Streit der Potsdamer Parteien um das Motiv für den Überfall auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. wächst der Druck auf die CDU-Fraktion. „Mit Befremden“ hat die Potsdamer SPD-Stadtfraktion gestern auf das Abrücken der CDU-Fraktion von der Verurteilung des Gewaltverbrechens gegen Ermyas M. reagiert. „Für uns ist der Kurs der CDU nicht nachvollziehbar“, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert.
Die CDU-Fraktion hatte ihre Unterschrift unter einen Brief an die Familie von Ermyas M. verweigert, in dem die Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung ihr Mitgefühl ausdrücken (PNN berichteten). Die CDU und ihr Fraktionschef Steeven Bretz stören sich an der Formulierung, wonach es sich um eine „von Rassismus geprägte Gewalttat“ handele. Schubert betonte, die SPD-Fraktion werde den Brief in der vorliegenden Fassung unterzeichnen. Für die Sozialdemokraten stehe außer Frage, dass es sich bei der Bezeichnung „Nigger“ um eine „rassistische und abwertende Verunglimpfung des Opfers“ gehandelt habe. Diese werde durch neue Erkenntnisse zum Hergang der Tat, die sich am Ostersonntag am Bahnhof Charlottenhof ereignete, nicht relativiert.
CDU-Fraktionschef Bretz sagte gestern auf PNN-Anfrage, dass er bei seiner Position bleiben und den Brief nicht unterzeichnen werde. Dies heiße nicht, dass die CDU die Tat nicht verurteile. „Doch hier wird die Tat dem Motiv untergeordnete – und das Motiv kennen wir noch nicht.“ Er appellierte an die anderen Fraktionen, sich mit der Argumentation der CDU auseinander zu setzen.
SPD-Fraktionschef Schubert dagegen forderte die CDU auf, den Brief doch noch zu unterschreiben. Er wies darauf hin, dass direkt nach der Tat alle Fraktionsvorsitzenden gemeinsam mit dem Oberbürgermeister die Tat als „schändliche Untat, die von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und dumpfer Engstirnigkeit geprägt ist“, verurteilt hatten. „Die CDU muss sich nun entscheiden, ob sie diesen demokratischen Konsens aller Fraktionen aufkündigen und sich damit ins Abseits stellen will“, so Schubert.
Der Kreisvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen, Jürgen Stelter, nannte die Haltung der CDU-Fraktion gestern „beschämend“. Offensichtlich streite die Fraktion den rassistischen Hintergrund der Tat „vorrangig aus falsch verstandener Loyalität“ gegenüber dem CDU-Innenminister Jörg Schönbohm ab. Es sei jedoch wichtiger, parteiübergreifend Farbe zu bekennen, so Stelter.
Der CDU-Kreisverband Potsdam teilte unterdessen gestern mit, dass er die Kritik an Schönbohm wegen seiner Haltung im Fall Ermyas M. und der Äußerungen in einer Gedenkrede im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen zurückweise: „Minister Schönbohm hat weder den Rechtsextremismus bagatellisiert, noch die fürchterlichen Verbrechen des Nationalsozialismus abgewertet.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: