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Studieren mit Kind: Ein Spagat zwischen Hörsaal und Wickelraum

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Studieren mit Kind: Ein Spagat zwischen Hörsaal und Wickelraum Von Patrizia Reicherl April 2004 – Das Sommersemester beginnt. Thyra ist gerade sechs Wochen alt. Für FH-Studentin Astrid beginnt der Spagat, den sie mit allen studierenden und berufstätigen Müttern teilt. Das Studium wird zurückgefahren und strikt eingeteilt. Wenn Astrid jetzt in die Hochschule oder als Tutorin zu ihrem Werkstatt-Projekt kommt, ist Thyra mit dabei. Auch wenn eigentlich alle damit einverstanden sind, fällt es doch manchen schwer, mit anzusehen, wie Astrid ihr Baby stillt oder wickelt. Und manchmal schreit oder quengelt sie eben auch. Das Wochenende, an dem sich Astrids Lebensgefährte um das gemeinsame Kind kümmern kann, ist fürs Lernen reserviert. Der Kontakt zu den anderen Studenten reißt ein wenig ab. Astrid merkt, dass ihre Kommilitonen wesentlich weiter im Stoff sind als sie. Während sie für Thyra da ist, schließen die anderen ihr Studium mit dem Diplom ab. Doch trotz manch wehmütiger Phase über das zusätzliche Semester überwiegt die Freude, ein gesundes und fröhliches Kind zu haben. September 2004 – Wintersemester. Thyra ist jetzt in einem Alter, in dem sie nicht mehr mit ins Seminar kommen kann. Astrids Vorlesung liegt zum Glück so, dass sie morgens noch stillen kann, die Mittagsmahlzeit ist bereits durch Brei ersetzt und nachmittags ist sie wieder zu Hause. Thyra wird von 10 bis 15 Uhr von einer Kommilitonin betreut, die sich freut, an einem Tag in der Woche für das kleine Mädchen da zu sein. Als die Struktur feststeht – ein Präsenztag in der Woche an der Hochschule, gelegentliche Arbeitsgruppen in der Woche, Lernen am Wochenende – merkt Astrid wie effektiv sie geworden ist. Die Zeit fürs Studium ist reglementiert, so dass gemeinsam mit Thyra ausreichend Zeit zum Spielen, Kuscheln, Füttern und Rausgehen bleibt. Für Astrid war es nicht neu, sich an eine Struktur anzupassen, da sie vor dem Studium bereits berufstätig war. Aber sie ist sicher, dass ihre Effizienz seit Thyras Geburt wesentlich höher ist. Arbeitsgruppen finden, wenn möglich, zu Hause statt. Für die Kommilitonen ist das eine echte Herausforderung: Wer kann schon konzentriert eine Präsentation vorbereiten, wenn gleichzeitig ein netter Zwerg auf dem Boden herumrobbt. Astrid hat das mittlerweile gelernt: sie ist hellwach für alles, was Thyra tut und gleichzeitig auf ihre Arbeit konzentriert. April 2005 – Ein „Raum für Kinder“ an der Fachhochschule Potsdam wird eröffnet. Für einige – wenige – studierende Eltern eine lang ersehnte Erleichterung. Eine davon ist Astrid, 32 Jahre, Mutter von Thyra, 13 Monate. Astrid wird in diesem Semester ihre Diplomarbeit schreiben und kann sich jetzt, mit dem Wissen, dass Thyra von Montag bis Freitag sieben Stunden gut betreut ist, konzentriert in die Arbeit stürzen. Juni 2005 – Sommersemester mit Kinderraum. Bevor Astrid nicht wusste, dass ihr Kind hundertprozentig versorgt ist, konnte sie sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, sich zur Diplomarbeit anzumelden. Die Tagespflege an der Hochschule hat ihren und Thyras Alltag verändert. Astrid kann ihre Diplomarbeit schreiben. Thyra erlebt den Tag mit neun anderen Kindern und zwei professionellen, hochengagierten Tagesmüttern, die für die Kinder sorgen und mit ihnen spielen. Das ist ein langer „Arbeitstag“ für sie. Wenn Astrid mit ihr nachmittags nach Hause kommt, ist es für beide wichtig, viel Zeit miteinander zu verbringen. Thyra ist nach ihrem langen Tag „an der FH“ durchaus auch erschöpft. Die Räume, die Tagesmütter, die anderen Kinder, das alles ist neu für sie. Doch die Kleine geht sehr gern in die Kita der Hochschule und Astrid kann entspannter arbeiten. Astrid ist klar geworden, dass man mit Kind die Regelstudienzeit nicht einhalten kann. Aus Gesprächen mit anderen studierenden Eltern weiß sie auch, dass die Noten abfallen. Das Studium hat nicht mehr erste Priorität, das Denken wird zweigleisig. Für Astrid waren Freunde, auf die man sich verlassen kann, Familie, auf die man zählen kann, besonders wichtig, um den Studienalltag zu bewältigen. Ein solides, tragfähiges soziales Netzwerk, das auch schon in der Schwangerschaft wichtig ist, kann wunderbare Ressourcen bieten. Ihr Rat für andere junge Eltern: dass sie ganz bewusst ein solches Netzwerk aufbauen und pflegen, aber auch dass sie Unterstützung einfordern. An der Fachhochschule Potsdam wird solche Hilfe angeboten.

Patrizia Reicherl

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