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Von Guido Berg: Duell im Morgengrauen

Wer ist eher an der Urne? Diesen Wettlauf gewann Scharfenberg mit einer Stunde Vorsprung vor Jakobs

Stand:

Schon um 9 Uhr am Sonntag an die Wahlurne? Kein Problem für den Dauerrivalen von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Hans-Jürgen Scharfenberg von den Linken macht, wie er sagt, mit Frau Ursula ohnehin jeden Sonntag „pünktlich um acht Uhr“ einen Spaziergang durch das Wohngebiet am Stern. „Das hält frisch.“ Gestern nun war auch Sohn Jens bereits mit auf den Beinen. Der 18-Jährige ist Erstwähler. Dass Scharfenberg seine Stimme ausgerechnet im Leibniz-Gymnasium abgeben kann, freut den 54-Jährigen: Immerhin war es die Linke, die stärkste Fraktion im Potsdamer Stadtparlament, die sich für den bereits fortgeschrittenen Umbau der Plattenbauschule zu einem Campus Am Stern einsetzte. „Die Stadt geht daran nicht kaputt. Der Konsolidierungskurs bleibt erhalten“, ging Scharfenberg auf das stets vorgebrachte Argument von der leeren Stadtkasse ein. Die SPD habe einen „aggressiven Wahlkampf“ gemacht, so Scharfenberg, er werde sehen, wie die Wähler das bewerten. Ziel der Linken sei es, wieder stärkste Fraktion zu werden.

Oberbürgermeister Jakobs müsste sein Amt eigentlich erst 2010 wieder verteidigen. 2002 gewann er die Oberbürgermeisterwahlen nur knapp mit 124 Stimmen Vorsprung gegen Scharfenberg. Dass er nun freiwillig im Wahlkreis IV, dem Potsdamer Süden, als SPD-Spitzenkandidat den direkten Vergleich mit Scharfenberg sucht, nennt dieser nicht unbeeindruckt „einen Husarenstreich“. Der Linksfraktionschef erklärte gestern hinsichtlich möglicher Konsequenzen für Jakobs im Falle einer deutlichen Niederlage: Der Oberbürgermeister habe sich mit ihm „ins Duell“ begeben. Das Ergebnis, das am Abend zugunsten der Linken ausfiel, müsse ausgewertet werden.

Im Leibniz-Gymnasium sind gleich zwei Wahllokale eingerichtet. Das eine ist komplett in der Hand des Potsdamer Fanfarenzuges von Hauptübungsleiter Alexander Lindt. Alle Wahlhelfer tragen das rote T-Shirt des Fanfarenzuges. Das andere Lokal leitet Renate Seefeldt. Die 73-Jährige wollte sich als einfache Helferin registrieren lassen – aber es waren nur noch Wahlleiterstellen frei: „Nun stehe ich hier und habe die Verantwortung.“ Als Sozialarbeiterin in der Kirchengemeinde hat sie bereits Wahlerfahrungen machen können.

„Ich bin kein Morgenmensch“, gestand der Oberbürgermeister gestern, als er sich mit Frau Christine und Hund Luci um 10 Uhr dem Wahllokal an der Puschkinallee näherte. Sohn Hanno ist auch Erstwähler, liegt aber noch im Bett, verriet Christine Jakobs. Auf den frühmorgendlichen Aktionismus seines Widersachers angesprochen, sagte Jakobs: „Ich mache meinen Sonntagsspaziergang erst nach dem Mittagessen.“ Den Vorwurf des „aggressiven Wahlkampfes“ parierte der Verwaltungschef: Scharfenberg stehe ihm in diesen Dingen „in Nichts zurück“, könne aber „schlechter einstecken“. Die SPD habe sich eben viel einfallen lassen und wichtige Themen wie die Verkehrsprobleme in der Stadt oder den Kita- und Schulneubau besetzt. „Ich gehe davon aus“, so Jakobs, „dass wir gut abschneiden.“ Was dann auch eintraf.

Wahlleiterin in dem Wahllokal unweit der Kolonie Alexandrowka ist Ursula Löbel. Die Spiegel im Turnsaal der Kita „Vielfalt“ mussten extra verhangen werden, damit die Bürger beim Ankreuzen auch wirklich unbeobachtet sind, erläutert die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung. Weder sie noch ihre Wahlhelferinnen haben für die Sonntagsarbeit „verdonnert“ werden müsse. Ihre Truppe sei schon bei vielen Wahlen angetreten und eingeschworen. Man müsse sich während eines so langen Tages schon verstehen. Wenn alle nur schweigen, „wird man ja verrückt“, meint Ursula Löbel. Sie seien „ein gutes Team“. Die Lokalleiterin: „Jeder wusste, was er mitzubringen hat – Buletten, Gurken, Kaffee, Schmalzstullen “

In Fahrland wird am Kaiserplatz gewählt. Elisabeth und Hartmut Gänserich entsteigen ihrem Auto. Zunächst, erklären sie, hätten sie gar nicht wählen wollen. Aber das hätte „den Anderen genutzt“, den Parteien „vom rechten und vom linken Rand“. Und wenn diese Zeiten auch längst vorbei sind – die Erinnerung ist noch da: „In der DDR hatten wir nur die Wahl“, so Hartmut Gänserich, „ob wir vormittags oder nachmittags wählen gehen.“

Wahlleiter gestern in Fahrland war Jürgen „Lupo“ Rohne – eine schillernde Figur der Potsdamer Gesellschaft. Wenn sich Jakobs und Scharfenberg in zwei Jahren für den Oberbürgermeister-Posten ins Zeug legen, wird wie bereits schon 2002 Lupo Rohne der Dritte im Bunde sein. Gegenüber den PNN kündigte er seine Einzelkandidatur an: „Ich werde wieder kandidieren.“

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