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Landeshauptstadt: Durch Orkanwirbel fast 600 Bäume verloren

Gartenkustos Jörg Wacker: Windhosen gefährden Weltkulturerbeparke stärker als trocken-heiße Sommer

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Gartenkustos Jörg Wacker: Windhosen gefährden Weltkulturerbeparke stärker als trocken-heiße Sommer Von Erhart Hohenstein Bornstedt. Sanssoucis Gärtner haben den Park relativ gut über die lang anhaltende Kälte im Frühjahr und den trocken-heißen Sommer gebracht. Dafür waren erhebliche Anstrengungen erforderlich, erklärte der Kustos der Gartenabteilung, Jörg Wacker, gegenüber PNN. Im April mussten besonders Immergrüne, die durch den Frost vertrocknet waren, nachgepflanzt werden. Ebenso waren die im Rehgarten nördlich des Parks Charlottenhof im Herbst gesetzten Laubgehölzgruppen davon betroffen. Sie wurden durch Nadelgehölze ergänzt. Im Sommer wurden vor allem neue Pflanzungen an den möglichen, vom Bewässerungsnetz erschlossenen Stellen fast rund um die Uhr beregnet. Auch Wasserwagen waren im Einsatz. Junge Bäume wurden durch Schattenleinen aus grüner Kunststoffgaze vor allzu starker Sonneneinstrahlung geschützt. Trotzdem gab es partiell Ausfälle. Den Gärtnern kommt zugute, dass das Wasser für die intensive Begegnung fast ausschließlich der Havel entnommen wird, also reichlich zur Verfügung steht. Ärger bereiteten ihnen winzige Fische und Muscheln, die trotz der Filter in die Rohrleitungen gelangen, dort wachsen und schließlich die Sprenger immer wieder verstopfen. Weniger Probleme gab es mit den Blumenpflanzungen, die intensiv gewässert wurden, und mit dem Rasen. Jörg Wacker zeigt sich vom ungewöhnlichen Witterungsverlauf dieses Jahres nicht sonderlich beeindruckt: „Lange Winter und trockene Sommer gab es schon des öfteren, damit werden wir fertig.“ Was ihm und allen Sanssouci-Gärtnern dagegen echte Sorgen bereitet, sind die seit einem Jahr immer wieder auftretenden kurzen, starken Orkanwirbel. „Einem normalen Sturm kann man durch den stufenweisen Aufbau von Gehölzgruppen von niedrigeren zu höheren Pflanzen und Bäumen weitgehend die Wirkung nehmen“, erläutert er. „Windhosen aber reißen aus einem geschlossenen Gehölzbestand in ihrem Zentrum auch starke Bäume heraus und lassen die Gehölze am Rand nach außen wegknicken. Das Bild ähnelt dann einem Bombentrichter.“ Dagegen sei man machtlos – seit dem 10. Juli 2002 sind die Windhosen mehrfach aufgetreten und haben die Stiftung in ihren Parks fast 600 Bäume gekostet, einschließlich der Exemplare, die wegen schwerer Schäden nach den Orkanböen gefällt werden mussten. Allgemein hat sich das Schadensbild der Bäume dagegen nicht zugespitzt. So wie das Ulmensterben vergangener Jahre den Höhepunkt überschritten hat, sieht Jörg Wacker die Entwicklung auch bei der vor sieben Jahren erstmals aufgetretenen Miniermotte, die die Rosskastanien schädigt. Der Befall sei jetzt geringer, wobei für ein Urteil erst die nächsten Jahre abgewartet werden müssen. Im Vorjahr hatte die Gartenabteilung dreimal eine Firma eingesetzt, die das Laub aufsammelte und abfuhr. Chemische Schädlingsbekämpfungsmittel wurden nicht verwendet, zumal das Pflanzenschutzamt ihre Anwendung ablehnte. In Park Glienicke wurden Laufkäfer als biologische Feinde der Miniermotte ausgesetzt. Aus seiner Berufserfahrung – er hatte vor wenigen Tagen sein 15-jähriges Dienstjubiläum bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten – heraus erklärt Jörg Wacker: „Die Gefahr, die von der Miniermotte für die Schädigung der Bäume ausgeht, darf nicht unterschätzt werden. Sie eignet sich aber nicht als Sensationsthema der Medien, um das so genannte Sommerloch zu füllen.“ So sei in den Parks der Stiftung noch nicht eine einzige Kastanie eingegangen. Andererseits wird der Kampf gegen die Pflanzenschädlinge die Gärtner immer begleiten. Neuestens ist es eine Miniermotte, die Linden befällt. Im Stadtgebiet zeigen sich in der Hegelallee bereits ihre Spuren. Erheblich zu leiden haben Bäume in den Potsdamer Weltkulturerbeparks unter Pilzbefall. Das aber, erklärt Jörg Wacker, ist wesentlich ihrem Alter zuzuschreiben. So haben z.B. Buchen ein Alter von 150 Jahren und so die Grenze ihrer physischen Existenz erreicht. Damit fehlt ihnen die Vitalität, sich wirksam gegen Schädlinge zu wehren. Das Pläntern im Bestand, also das Herausschlagen überalterter, schwacher oder an ungünstigen Standorten herangewachsener Stämme, ist unumgänglich und muss kontinuierlich durchgeführt werden, so z.B. in den Bosketten am Musenrondell im Park Sanssouci. Kleine, bis drei Finger starke Stämme werden nachgepflanzt, auch der natürlichen Verjüngung durch Selbstaussaat der Bäume wird kontrolliert Raum gegeben. Im Bereich der Bornstedter Chaussee und des Ruinenberghanges muss durch Pläntern sowie bei den dortigen von Lenné angelegten Koppeln durch gezielte Gehölzentnahme und Erneuerung der Umpflanzung der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden. Als Gartenkustos ist Jörg Wacker für das nordöstliche Sanssouci, die Pfaueninsel und Glienicke verantwortlich, als Stellvertreter von Gartendirektor Prof. Michael Seiler nimmt er aber auch Querschnittsaufgaben wahr. Dazu zählt für den Diplomingenieur, der seit 1989 die traditionsreiche Wintertagung der Dendrologen in Potsdam organisiert, auch die Auswahl und der Einsatz der Gehölze für alle Weltkulturerbeparke der Stiftung.

Erhart Hohenstein

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