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Von Petra Görlich: Durch Praxiswissen zum Job Unternehmen beurteilen Studienreform an den Hochschulen vorsichtig optimistisch

Wer heute den Sprung auf den Arbeitsmarkt schaffen will, muss Praxiserfahrungen, häufig auch schon interkulturelle Erfahrungen mitbringen. Die heiß begehrten Jobs zu bekommen, verlangt deshalb intensive Vorbereitung schon während des Studiums.

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Wer heute den Sprung auf den Arbeitsmarkt schaffen will, muss Praxiserfahrungen, häufig auch schon interkulturelle Erfahrungen mitbringen. Die heiß begehrten Jobs zu bekommen, verlangt deshalb intensive Vorbereitung schon während des Studiums. Studierende müssen, so betonen Arbeitgeber und Hochschulen inzwischen gleichermaßen, früh genug über den Tellerrand schauen und sich an dem orientieren, was die Unternehmen brauchen, vor allem aber, was sie konkret anfordern. Siemens sucht zum Beispiel in erster Linie gut ausgebildete Ingenieure, vor allem Maschinenbauer und Elektrotechniker.

Aber auch Absolventen anderer Studiengänge würden eingestellt, Physiker und Betriebswirte oder Informatiker etwa. Sabine Knapp-Lohmann aus dem Berliner Büro der Siemens AG weiß um die Chancen junger Leute im eigenen Haus. „Das primäre Einstellkriterium sind natürlich fundierte Fachkenntnisse“, sagt sie. Im gleichen Atemzug erfolgt der Hinweis auf die Notwendigkeit weiterer Kompetenzen, so genannter Softskills, ohne die ein erfolgreicher Berufsstart heute nicht mehr möglich ist. Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK) im letzten Jahr, an der sich über 2000 Unternehmen beteiligten und in der diese auf nötige Qualifikationen von Hochschulabsolventen aus Firmen-Sicht eingingen, bestätigt dies. Demnach sind für die Betriebe soziale und persönliche Kompetenzen bei Berufseinsteigern genau so wichtig wie das Fachwissen. Teamfähigkeit ist der DIHK-Studie zufolge die wichtigste Kompetenz.

Die Unternehmen nutzen inzwischen viele Rekrutierungselemente, um geeignete Fach-und Führungskräfte zu gewinnen. Eine feste Säule dabei sind Firmenkontaktmessen, aber auch maßgeschneidertere Veranstaltungen. Zudem existieren gerade bei den großen Arbeitgebern häufig Förderprogramme, mit deren Hilfe sich qualifizierte Studierende schon im Studium ein Bild zum jeweils existierenden Arbeitsumfeld machen können.

Auf den Arbeitsmarkt drängen derzeit vermehrt Absolventen mit den neuen Bachelor- und Masterabschlüssen. Laut DIHK-Studie sehen die Unternehmen den Erfolg der dahinter stehenden Studienreform vorsichtig optimistisch. Die Mehrheit derer, die an der Studie teilnahmen und erste Erfahrungen gesammelt haben, geben an, dass sich ihre Erwartungen beim Einsatz der Bachelor- und Masterabsolventen erfüllt haben. Jürgen Retzlaff, Hauptabteilungsleiter Kaufmännische Dienste der Energie und Wasser Potsdam GmbH teilt trotz noch unzureichender Erfahrungen in den Stadtwerken die attestierte Zuversicht, allerdings mit Einschränkung. „In größeren Unternehmen werden sich die Abschlüsse schnell etablieren“, meint er. „In kleineren wird mit dem schnelleren Berufseinstieg des Bachelors ein Bindeglied zwischen den klassischen Ausbildungsberufen und den bisherigen Studienabschlüssen geschaffen, was sich in der Praxis noch bewähren muss.“

Ein Bindeglied aber müssen und wollen die Hochschulen nicht nur abliefern. Mehr und mehr von ihnen erkennen dies. An der Universität Potsdam zum Beispiel gibt es deshalb verstärkte Bemühungen um eine Qualitätssicherung in der Ausbildung. In der Vereinigung der Unternehmerverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) dürfte die Entwicklung gern gesehen werden. Noch werde, so deren Einschätzung, in den Hochschulen zu großer Wert auf abfragebereites Wissen gelegt, seien häufig etwa Unsicherheiten der Bewerber in unvorhergesehenen, eine Entscheidung erfordernden Situationen zu beobachten. Fachwissen müsse deshalb stärker im Kontext vermittelt werden. „Case Studies und Praxisprojekte müssen die wesentlichen Ausbildungsinstrumente, zumindest in der zweiten Hälfte des Bachelorstudiums sein“, fordert Sven Weickert, verantwortlich für Hochschulpolitik im UVB.

Denn „Bachelor und Master sind nicht neue Abschlussbezeichnungen für bestehende Studiengänge, sondern ein Synonym für eine neue Art des Studiums. Wenn die Hochschulen die neuen Abschlüsse mit einem konsequenten Umbau des Lehrsystems hin zur Outcome-Orientierung verbinden, steigen die Chancen der Absolventen, in den Kern- und artverwandten Berufsfeldern tätig zu werden."

Daimler Konzernsprecherin Kicherer hält eine Einschätzung von Bachelor- und Masterabsolventen übrigens noch für zu früh. Obwohl im Konzern bereits entsprechende Praktikanten an Bord seien, Abschlussarbeiten betreut würden und erste Absolventen hier arbeiteten. Grundsätzlich begrüße der Konzern aber den Bologna Prozess, der durch die neu eingeführten Studienabschlüsse zu einem einheitlichen europäischen Hochschulraum führen soll. Die Notwendigkeit der Anpassung von Unternehmens- und Personalprozessen hätten die Wirtschaft und das eigene Unternehmen erkannt. Die Signale scheinen also auf Grün zu stehen. Hochschulen und Wirtschaft müssen nun ihre Hausaufgaben machen.

Petra Görlich

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