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Landeshauptstadt: Durchhalten, „böse“ zu sein

Vom Umgang mit Alkoholkranken: Potsdamerin gründet Selbsthilfegruppe für betroffene Angehörige

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Sie wollte immer hundertprozentig für ihn da sein – Tag und Nacht. Sie war da, wenn er sich betrunken hatte. Sie sprang sofort auf, wenn er drohte, sich etwas anzutun, setzte sich mitten in der Nacht ins Auto, fuhr zu ihm, um ihn zu retten. Heike B*. verstand das als Liebesdienst, der aber nicht zur Wunschbeziehung führte. Im Gegenteil: „Ich dachte immer häufiger, dass es so nicht weitergehen kann“, erzählt die 38-Jährige. Nach fast zwei Jahren Aufopferung, ist die Potsdamerin heute in der Lage, klare Grenzen zu setzen. „Das musste ich erst lernen“, sagt Heike B.

In dem sie ihrem Freund Bernd K.*, der alkoholkrank ist und unter Depressionen leidet, alle Entscheidungen abnahm, habe sie ihn auch entmündigt. Das weiß sie heute – auch dank therapeutischer Hilfe. Inzwischen halte sie es durch, die „Böse“ zu sein und meldet sich nach einem seiner Ausraster einfach nicht bei ihm. Erst vor wenigen Tagen habe Bernd ihr im betrunkenen Zustand solche Gemeinheiten gesagt, dass jetzt Funkstille sei. Früher habe sie vielmehr ertragen, wies sich zum Teil die Schuld zu, wenn er wieder zur Flasche griff. Jetzt bleibt sie konsequent. „Er weiß aber, dass ich immer für ihn da bin“, sagt sie. Ganz und gar fallen lassen, könnte sie ihn nicht. Dazu seien die Wochenenden, an denen er nüchtern bleibe und mit ihr durch Galerien und Ausstellungen zöge, einfach zu wertvoll. „Dann ist er ein anderer Mensch“, schwärmt die 38-Jährige. Außerdem habe sie die vage Hoffnung, dass das Leben mit Bernd eines Tages ganz normal werde.

Jetzt sucht Heike B. den Austausch. Sie möchte in Potsdam eine Selbsthilfegruppe für Betroffene Angehörige von Alkoholkranken ins Leben rufen. Die 38-Jährige glaubt, dass sie mit ihrer Leidensgeschichte anderen helfen kann, hofft aber auch, von anderen Erfahrungen zu profitieren. Sie weiß natürlich, dass nicht jeder Alkoholkranke gleich reagiere. Trotzdem sei ein konsequentes Verhalten den Kranken gegenüber wichtig. „Damit der Angehörige nicht in die Ko-Abhängigkeit abrutscht“, sagt Heike B. N. Klusemann

*)Namen von der Redaktion verändert

Die Selbsthilfegruppe Betroffene Angehörige von Alkoholkranken trifft sich mittwochs von 17 bis 18 Uhr bei Sekiz in der Hermann-Elflein-Straße 11. Infos und Anmeldung unter Tel.: (0331) 6200280

N. Klusemann

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