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Landeshauptstadt: Düstere Ahnen

Der 16-jährige Carl-Victor Wachs gewann einen Geschichtswettbewerb und wird heute ausgezeichnet

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Immer auf Achse, ständig unterwegs. Und auch heute wird Carl-Victor Wachs kaum eine Atempause haben, der Tag, an dem er für seinen Gewinn des Wettbewerbs „Geschichte hautnah“ ausgezeichnet wird. Der Schüler des Potsdamer Humboldt-Gymnasiums weiß trotz seiner 16 Jahre schon, was Termindruck heißt. „Vielleicht schaffe ich es noch zu einem Vortrag in Berlin, da redet heute der französische Botschafter“, sagt er gleich zur Begrüßung unseres Gesprächs und lächelt ein wenig verlegen. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Europa in ein neues Zeitalter führen lässt. Spannend, findet Victor. Und hat gleich einen verschlüsselt-philosophischen Lösungsvorschlag parat. „Nur dann, wenn man die Vergangenheit versteht, kann man mit der Zukunft umgehen,“ sinniert er, und begründet so sein Interesse für politisch-geschichtliche Themen.

Eben das war auch seine Motivation an dem Wettbewerb „Geschichte hautnah“ teilzunehmen, den das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, die Schlösserstiftung sowie die Ostdeutschen Sparkassenstiftung veranstaltet haben. „Im Januar diesen Jahres“, erinnert sich Victor und versucht dabei zu verhindern, dass seine schulterlangen rotblonden Haare ihm die Augen verdecken, „sprach meine Geschichtslehrerin unseren Kurs auf die Ausschreibung an. Ich dachte gleich, da musst du teilnehmen!“

Sofort nach dem Stundenklingeln war er zum Aushang geeilt. Drei Aufgaben stehen zur Wahl, zwei sind zu bearbeiten, das Thema heißt „Familie“. Victor entscheidet sich dafür, die Spuren seiner Ahnen väterlicherseits zu erforschen und eine Familienchronik mütterlicherseits zu erstellen. Eine Woche lang schottet er sich ab und arbeitet von früh bis spät. „Als ich auf den Spuren der Familie Wachs, der Familie meines Vaters, gewandelt bin, hat mir die Chronik meines Großvaters sehr weitergeholfen.“ Bis zu seinem ältesten Vorfahren Kaspar Wachs, geboren im Jahre 1587 in Benshausen in Thüringen, lässt sich seine Geschichte lückenlos zurückverfolgen. Er versucht gründlich zu arbeiten, unterstützt seine Ergebnisse durch Bilder, beschreibt wichtige Orte und Lebensabschnitte seiner Vorfahren. Mit der Familie seiner Mutter, einer geborenen „von Köckritz“, beschäftigt sich Victor danach – und findet Überraschendes heraus. Denn ursprünglich stammt der Nachname seiner Mutter von „Kokericz“ ab und wurde so erstmals 1209 im staatlichen Archiv zu Weimar erwähnt. Im 15. Jahrhundert wurde sein Ahnen-Geschlecht zu Raubrittern. Die Furcht vor ihnen wuchs. Und im brandenburgischen Umland entstanden Lieder und Gebete, mit der Bitte, die „von Köckritz“ von den Menschen fernzuhalten. Sogar ein Stammwappen entdeckt Victor bei seinen Forschungen. Er nennt seinen Beitrag „Geschichte lebendig“ und stellt ihn am 29. Mai 2008 fertig – einen Tag vor Einsendeschluss.

Vor zwei Tagen hat Victor dann erfahren, dass er den ersten Preis gewinnt. „Damit hätte ich nicht gerechnet“, freut er sich, malträtiert schon wieder seine Haare und setzt lässig hinzu: „Aber Geschichte ist echt super. Finde ich interessant.“ An seiner Schule besucht er die AG Rechtskunde und den Debattierklub. Heute um 11 Uhr wird Victor im Humboldt-Gymnasium ausgezeichnet. Dass sein Gewinn ein Besuch im Tropical Islands ist, nun ja, darauf habe er es aber nicht abgesehen, lacht er. Dann blickt er auf die Uhr und greift seine Tasche. „So, jetzt muss ich aber los. Dann komme ich vielleicht pünktlich zum Vortrag.“

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