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Landeshauptstadt: Ehe mit Ukrainerin nur zum Schein geschlossen?

Angeklagter schweigt zum Tatvorwurf/Schöffengericht gibt weiteren Beweisanträgen statt

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Angeklagter schweigt zum Tatvorwurf/Schöffengericht gibt weiteren Beweisanträgen statt Von Gabriele Hohenstein Schweigend sitzt Michael K.* (35) auf der Anklagebank des Schöffengerichts. Der Arbeitslose soll am 20. Februar vorigen Jahres in Dänemark eine ukrainische Staatsbürgerin geheiratet und zwei Tage später bei der Ausländerbehörde in Potsdam eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Gattin beantragt haben. Als Grund sei von dem Frischvermählten angegeben worden, dass beide in ehelicher Gemeinschaft unter Führung eines gemeinsamen Hausstandes leben würden. Tatsächlich – so der Staatsanwalt – soll zu keinem Zeitpunkt eine gemeinschaftliche Lebensführung bestanden haben, auch nicht beabsichtigt worden sein, da Michael K. bereits seit Anfang 2001 eine eheähnliche Partnerschaft mit einer russischen Jüdin aufrechterhalten habe. Die ist – im Gegensatz zu der vermeintlichen Schein-Ehefrau, die inzwischen wieder in ihre Heimat abgeschoben wurde – greifbar. Bereitwillig erzählt Tatjana G.* (31) im Zeugenstand, wie sie den Angeklagten kennen lernte und im Oktober 2001 der gemeinsame Sohn geboren wurde. Anfangs habe man am Stern gewohnt, sei dann nach Potsdam-West gezogen. Obwohl Michael K. öfter einmal zwischenzeitlich verschwunden war, sei er bei ihr gemeldet gewesen, habe auch seine Sachen in der neuen Wohnung untergestellt. „Ich habe allen erzählt, er ist mein Mann. Wenn er nicht da war, habe ich den Nachbarn gesagt, Michael ist auf Dienstreise“, berichtet Tatjana G. „Eine unverheiratete russische Frau gilt in den Augen meiner Landsleute als Nutte“, begründet die Zeugin ihre Offenheit den Hausbewohnern gegenüber. „Ich bin im jüdischen Glauben erzogen worden und lebe danach. Deshalb sollte Michael auch in den Augen der anderen mein Mann sein.“ Eines Tages sei die Polizei gekommen, habe ihren Lebensgefährten verhört. Später habe er ihr gestanden, im Februar 2002 eine andere Frau geheiratet zu haben, erklärt Tatjana G. „Der Verdacht einer Scheinehe bestätigte sich, als wir erfuhren, dass Herr K. mit Tatjana G. ein Kind hat“, betont eine als Zeugin geladene Mitarbeiterin der Ausländerbehörde. Später habe die Polizei ermittelt, die Gattin von Michael K. sei zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung in Dänemark noch gar nicht von ihrem damaligen Mann geschieden gewesen. Außerdem hätten Kollegen der Berliner Ausländerbehörde mitgeteilt, die Ukrainerin sei vor ihrer Hochzeit mit gefälschten Papieren bei ihnen aufgetaucht, um sich eine Aufenthaltserlaubnis zu erschleichen.“ Der Verteidiger des u. a. wegen vorsätzlicher Brandstiftung, Betruges, gemeinschaftlichen schweren Diebstahls, Hehlerei und Einschleusens von Ausländern Vorbestraften reicht den Reisepass seines Mandanten zu den Akten. Aus ihm geht hervor, dass Michael K. gemeinsam mit seiner Frischangetrauten drei Wochen in deren Heimat weilte. Vor einem Notar erklärte er sich zudem einverstanden, die Tochter seiner ukrainischen Ehefrau zu adoptieren, nachdem deren leiblicher Vater eine Verzichtserklärung unterzeichnet hatte. Das alles reicht dem Staatsanwalt nicht. Er möchte die Ehefrau und die an der Observation des Angeklagten beteiligten Polizeibeamten hören. Das Gericht gibt dem statt. Der Prozess wird noch einmal neu aufgerollt. (*Namen geändert.)

Gabriele Hohenstein

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