EHEC-Infektionen: Ehec-Krise: Potsdamer fürchten Erreger
Gemüsehändler auf den Märkten registrieren große Verunsicherung / Vertrauen in heimischen Anbau
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Innenstadt – Die Furcht vor den gefährlichen Ehec-Erkrankungen – sie herrscht auch in Potsdam. Auf dem Wochenmarkt und dem Markt am Nauener Tor ist die Epidemie, an der bisher 21 Menschen in Deutschland gestorben sind, allgegenwärtig. Die Obst- und Gemüsehändler registrieren große Verunsicherung bei den Kunden. Allerdings können die einheimischen Händler offenbar trotzdem auf einen Vertrauensbonus ihrer meist langjährigen Kunden setzen.
„Heute ist es extrem“, sagte Brigitte Krause aus Golm am Samstag. Seit 43 Jahren steht die 68-Jährige mit ihrem Mann Heinz am Bassinplatz auf dem Markt. Nach dem Todesfall eines offenbar mit Ehec-Erregern infizierten Patienten im Klinikum „Ernst von Bergmann“ am Freitag stagnierte der Verkauf von Salat sofort, berichtete sie. Noch am Samstag machten Gesundheitsbehörden und -ministerien sowie das Berliner Robert-Koch-Institut insbesondere Gurken, Tomaten und Salat als mögliche Träger des Ehec-Keims aus. „Zurückhaltung bei rohen Produkten aus Norddeutschland“, hatte Thomas Weinke, Chef der Infektiologie im Bergmann-Klinikum, im RBB-Fernsehen empfohlen. Am gestrigen Sonntag dann gerieten Sprossen als Quelle des Erregers ins Visier.
„Die Kunden sind verunsichert“, weiß Annette May aus Bornim. „Wir leiden sehr darunter“, sagte die Gärtnerin. Durch den Frühjahrs-Frost seien schon die Kirschblüten erfroren und jetzt verderbe die Ehec-Krise zusätzlich das Geschäft der Gärtner. „Die Infektionsquelle muss schnell aufgeklärt werden, denn die Ungewissheit belastet die Kunden ganz besonders“, so die Geschäftsfrau.
Mit dem Hinweis auf einwandfreie einheimische Produkte wollen die regionalen Händler den Gerüchten und Warnungen entgegensteuern. Manchmal hilft offenbar auch das nicht. „Ich habe die Warnung der Bundesgesundheitsministerin im Fernsehen gesehen und daraufhin Panik gekriegt und alle frisch gekauften Tomaten weggeschmissen“, sagte eine 80-Jährige, die sich am Samstag am Stand des Polen Pipiz Halina auf dem Bassinplatz mit einem Bund Radieschen versorgt. Halina steht seit vielen Jahren auf dem Potsdamer Wochenmarkt. Gurken und Salat hatte er am Samstag nicht im Angebot. Die Cherry-Tomaten, die in Holland gewachsen sind, bezeichnet er als einwandfrei. „Wir essen diese Tomaten; auch meine Enkelkinder essen sie“, berichtete der Händler.
„Die Großmärkte, bei denen die Ware sonstwoher kommt, haben die Schuld“, lautet der Vorwurf eines Stammkunden bei Helmut Kagel aus Werder, der seit sieben Jahren am Nauener Tor verkauft. „Wir bleiben nicht auf unseren Produkten sitzen“, sagte er. Die Kunden hätten zu den einheimischen Anbietern großes Vertrauen. Der Verkauf von Gurken und Tomaten sei nur geringfügig zurückgegangen. „Aus Deutschland“ – dieser Zusatz prangt auf vielen Schildchen bei Heinz Krause. „Bei uns können Sie den Salat wachsen sehen“, sagt er seinen Kunden. Und an seinem Stand hängt ein Foto der „grünen Ländereien“ an der Reiherbergstraße mit dem Hinweis: „Alle Salate aus eigenem Anbau.“
„Vor zehn Tagen, als die ersten Verdachtsfälle über verkeimtes Gemüse durch die Medien gingen, haben wir nicht einen Salatkopf verkauft“, berichtete Händler Richard Senst. Inzwischen habe sich die Lage normalisiert. „Die Leute, die immer hier einkaufen, lassen sich nicht verunsichern.“ Aus diesem Grunde griff auch Agnes Fricke am Stand von Joachim May am Samstag zu den grünen Gurken. „Den Verkaufsstand kenne ich seit vielen Jahren“, begründete die Potsdamerin ihr Vertrauen und nahm auch noch eine Schale „Deutsche Freiland-Erdbeeren“ mit.
„Keine negativen Reaktionen der Kunden“, vermerkte Bernhard Vogel vom „Vielfruchthof Domstift Mötzow“ und reichte eine Kostprobe heimischer Mairübchen über den Ladentisch. An seinem Stand direkt am Nauener Tor verkauft er nur Produkte, die derzeit nicht im Fokus der Ehec-Fahnder sind. Tausend Leute kämen an jedem Wochenende zum Mötzower Gutshof, um dort zu essen, sagte er: „Daran hat sich nichts geändert.“
Günter Schenke
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