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Landeshauptstadt: Ehekrieg ums Wunderkind

Der Machtkampf ist entschieden: Das Investoren-Ehepaar Sander setzt sich gegen Wolfgang Joop durch. Die Firma zieht nach Berlin

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Berliner Vorstadt - Wenn alles anders wird und nichts so bleiben darf, wie es bisher war, dann sind – besonders in der sensiblen Markenwelt – die moderaten Töne, die versteckten Botschaften gefragt. Wertvolle Namen, besonders Markennamen sollen nicht gefährdet werden. Diesmal trifft das gewählte Wort den Potsdamer Stardesigner Wolfgang Joop und das von ihm gegründete Mode-Unternehmen „Wunderkind“: Das Unternehmen wird „neu ausgerichtet“. Es handle sich um einen „Prozess der Restrukturierung“, der „eingeleitet worden“ sei, sagt Markus Henning (41), seit April 2010 neuer Geschäftsführer bei Wunderkind in Potsdam, am Wochenende der Nachrichtenagentur dpa. Dieser Prozess – der den Umzug der Marke von Potsdam nach Berlin beinhaltet – habe auch die Entlassung von Mitarbeitern zur Folge gehabt. Eine Zahl wollte Hennig nicht nennen. Er reagierte damit auf einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ über eine neue Firmenstrategie weg vom „klassischen Fashion-System“.

Doch dahinter steckt nach PNN-Informationen weit mehr. Seit geraumer Zeit schon rumort es hinter den Kulissen: Das Ehepaar Hans-Joachim und Gisa Sander, Erben des Kosmetik-Labels „Wella“ und zwischenzeitlich in Potsdam auch wirtschaftlich stark engagiert, war im Jahr 2007 bei Wunderkind eingestiegen. Ohne die inzwischen allein mehr als 1,6 Millionen Euro Stammkapital, die das Ehepaar in Wunderkind steckte, sei der Aufbau der Marke nicht möglich gewesen, so ein Insider. Das Überleben der Marke, in der im Wesentlichen auch das Vermögen von Designer Wolfgang Joop steckt, auch nicht.

Sanders finanzierten im Wesentlichen die Marke – und damit indirekt auch Joop. Und sie warten bis heute vergeblich auch auf schnellen finanziellen Erfolg. Das Label, so die immer wieder intern geäußerte Kritik werfe nicht genügend ab – es fehlten der Modemarke die Teile, die sich auch normale Kunden wie Sekretärinnen leisten könnten: Gürtel und anderes Accessoires, die auch für den Imagetransfer wichtig sind. Joop hatte genau dies von Beginn an für die Marke „Wunderkind“ abgelehnt. Seinen Investoren fehlte die klare Erfolgsstrategie.

Nun scheint im Hause „Wunderkind“ in der Berliner Vorstadt der Machtkampf entschieden – auch, wenn das direkt niemand sagt: Künftig sollten Kollektionen nur noch in eigenen Boutiquen von Wunderkind verkauft werden, heißt es dort. Darauf hätten sich die Gesellschafter Wolfgang Joop und das Investoren-Ehepaar Hans-Joachim und Gisa Sander „geeinigt“.

Zwischen ihnen sei es zuletzt immer wieder zu Verstimmungen gekommen. Während Joop vereinbarte Investitionen angemahnt habe, sei es seinen Partnern vor allem auf Umsätze und Renditen angekommen, berichtet auch der Spiegel. Wegen des internen Streits werde es im Frühjahr voraussichtlich keine Modeschau geben. Joop wolle sich künftig stärker auf seine künstlerische Arbeit konzentrieren, schreibt das Magazin. Der Firmensitz werde von Potsdam nach Berlin verlegt. Im Klartext heißt dies: Joop, der schon im April die Geschäftsführung abgeben musste, ist bei Wunderkind noch kreativ tätig – und damit wieder das, was nach dem Verkauf seines Labels „JOOP!“ in den 1990er Jahren nie wieder sein wollte: Aushängeschild.

Derzeit erarbeiteten die Gesellschafter für das Mode-Label „gemeinsam“ ein neues Konzept, bestätigte Hennig. Der Aufbau der Marke, der während der vergangenen Jahre Vorrang gehabt habe, müsse „ertraglich noch besser umgesetzt werden“. Derzeit befinde man sich noch in einem „Prozess des Aufbaus“. Der Geschäftsführer betonte, dass es auch in Zukunft die Marke „Wunderkind“ geben werde. Für sie seien die vergangenen eineinhalb Jahre erfolgreich verlaufen. Weitere Details des „Spiegel“-Vorab-Berichts wollte Hennig weder bestätigen noch dementieren.

Wie viel Joop von den Wunderkind-Firmen noch gehört ist unklar. Laut Handelsregisterauszug hält er an der Wunderkind GmbH & Co. KG mit Sitz in Potsdam mit 667000 Euro 50 Prozent des Stammkapitals. Die andere Hälfte teilen sich die Sanders. Wie aber die Stimmrechte verteilt sind und wie viel Geld Sanders sonst investiert haben ist unklar. Doch diese Firma gehört der „Wunderkind“ Verwaltung GmbH mit Sitz in der Seestraße 35-37. Wie es vor Monaten hieß, gehöre diese Firma zu 65 Prozent den „Wella“-Erben. Der Rest Joop. Damit haben die Wella-Erben und Joop-Finanziers das Sagen bei der „Wunderkind“-Mutter. Und seit Monaten hieß es immer wieder in Potsdam, Sanders drohten mit dem Abzug ihres Kapitals aus den Wunderkind-Firmen.

Fest steht, dass Joop seit geraumer Zeit auch neben Wunderkind versucht, Geld zu verdienen: Für einen Strumpfhersteller designte er Stützstrümpfe, die Versteigerung seiner Art-Déco-Kollektion erbrachte im Vorjahr mehr als 2,6 Millionen Euro. Die Art-Déco-Möbel stammen aus der Villa Wunderkind in der Berliner Straße. Zudem engagiert sich Joop beim insolventen Unterhosenfabrikanten Schiesser. Im April hatten Joop und der Insolvenzverwalter von Schiesser, Volker Grub, verkündet, dass der 66-jährige Designer Schiesser an die Börse bringen und Calvin Klein den Rang als bekanntesten Schlüpferdesigner ablaufen will. „Calvin Klein hat weiße Unterhosen zu einem sexy Item gemacht“, sagte Joop vor wenigen Monaten dieser Zeitung, „das kann ich ja wohl auch“.

Bei „Wunderkind“ kostet ein Kleid 900 und 3000 Euro. Zu den vier „Wunderkind“-Läden – davon zwei in Berlin –, sollten in diesem Jahr drei weitere hinzukommen, auch in Paris und Mailand sind Dependancen geplant.

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