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Landeshauptstadt: Ein Abschiedsgruß aus Sanssouci
Wie Soldaten aus Potsdam in den Ersten Weltkrieg zogen, erklärte Historiker Rainer Lambrecht
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9. August 1914 – ein strahlend blauer Himmel zog über dem Potsdamer Lustgarten auf. Fast schien es, als hätte sich die Stadt selbst herausgeputzt, ganz so, als wolle Potsdam noch glänzen mit all seiner Pracht und Schönheit, gerade an diesem besonderen Tag. Jung und Alt waren auf den Beinen. Sie alle wollten einem Schauspiel beiwohnen, das sich ihnen im Lustgarten bot, auf dem die Sonnenstrahlen etwa 7000 Soldaten in einen Glanz hüllten.
Ein letzter Abschiedsgruß aus Sanssouci – so ähnlich beschrieb einst Karl Willnitz vom Füsilierbatallion die Verabschiedung des Ersten Garde-Regiments zu Fuß auf dem Potsdamer Lustgarten. „Das Garde-Regiment wurde dort in höchster Würde in den Krieg verabschiedet“, erklärte Rainer Lambrecht. Am Dienstagabend hielt der Potsdamer Historiker im Pfarrhaus am Bassinplatz einen Vortrag mit dem Titel „Mit den Rosen der Kaiserin – Die Garnison Potsdam zieht in den Ersten Weltkrieg“.
Und während über den Köpfen der Soldaten die Fahne des prominenten Ersten Garde-Regiments zu Fuß wehte, trat die Kaiserin vor, den Arm voller weißer Rosen, von denen sie jedem Offizier eine überreichte. Die stolze Königin der Blumen für die Angehörigen jenes Regiments, das im kaiserlichen Heer den besten Ruf hatte, dessen Chef der Kaiser selber war und dessen neu ernannter Kommandeur ein prominentes Mitglied des Herrscherhauses war: Oberst Prinz Eitel Friedrich von Hohenzollern, zweitältester Sohn des Kaiserpaares.
Damals ging es in Potsdam, der Soldatenstadt schlechthin, zu wie in einem Ameisenhaufen, erklärte Lambrecht. Nach dem Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914, bei dem der Thronfolger Österreich-Ungarns ermordet worden war, war die Politik an ihre Grenzen geraten. Wochenlang war es nicht gelungen, eine friedliche Lösung zu finden. Im gesamten Kaiserreich setzte zuerst die Deklaration einer erhöhten Kriegsgefahr die Truppen aller Armeekorps in höchste Alarmbereitschaft. „In Potsdam betraf das ausschließlich Garde-Formationen.“ Nachdem der Befehl zur Mobilmachung am 1. August 1914 verkündet wurde, setzten in ganz Potsdam einen Tag später alle wohldurchdachten Vorbereitungsmechanismen ein. „Jeder Soldat wusste, was er zu tun hatte“, erzählte Lambrecht. Waffen und Munition mussten herbeigeschafft werden, Lanzen, Säbel und Bajonette wurden geschärft. „Die durchstrukturierten Vorbereitungen betrafen auch die Reservisten und Wehrpflichtigen. Sie besaßen einen verschlossenen Umschlag mit einem Gestellungsbefehl. Darin war festgelegt, wann und wo sie sich nach Bekanntgabe der Mobilmachung zu melden hatten.“
Daher trafen in den ersten Augusttagen 1914 immer mehr Reservisten und auch viele Freiwillige in den Potsdamer Kasernen ein. Der Platz reichte bald nicht aus und es musste bei Bürgern und Bauern einquartiert werden. Die Stadt war erfüllt von Kriegseuphorie. „In dieser Situation fanden allerlei Gerüchte über abgestürzte feindliche Kampfflieger im Neuen Garten oder mit russischem Gold beladene Autos Gehör und lösten Suchaktionen aus.“ Als die ersten Truppen Potsdam bereits verlassen hatten, kam es am 9. August 1914 zu dem bereits oben erwähnten Höhepunkt in Gestalt der letzten prunkvollen Inszenierung der kaiserlichen Heeresmacht. Die Verabschiedung des Ersten Garde-Regiments zu Fuß könne man als letzte große Militärshow des kaiserlichen Heeres bezeichnen, so Lambrecht. Eine Zurschaustellung von Stärke und Macht, von Gehorsam und Kaisertreue. „Da konnten die Bürger kaum etwas anderes glauben, als dass man den Krieg auf jeden Fall gewinnen würde.“ Mit der Überreichung der weißen Rose setzte Kaiserin Auguste Viktoria für Potsdam einen symbolträchtigen Anfangspunkt der Geschichte von Potsdam und dem Ersten Weltkrieg. Und für die Soldaten, die nicht wieder heimkehren sollten, war es wie ein Abschiedsgruß aus Sanssouci. Chantal Willers
Chantal Willers
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