Landeshauptstadt: Ein Bär ist wie ein ICE
Fotograf Axel Burgheim hielt in der Lenné-Schule fesselnden Dia-Vortrag über seine Heimat Alaska
Stand:
Gebannte Stille. Auf der Leinwand in der Turnhalle ist der gewaltige Fußabdruck eines Bären zu sehen. Den hat Axel Burgheim in seiner Wahlheimat Alaska fotografiert und als kleines Dia mit in die Lenné-Gesamtschule gebracht. Der Fotograf, der mit einer Frau aus dem Innuit-Stamm verheiratet ist, möchte an diesem Nachmittag der Schülerschaft im Teenageralter etwas über Kolonialisierung und Umweltzerstörung in Nordamerika erzählen.
Was der 43-Jährige allerdings bot, unterschied sich deutlich von einem herkömmlichen Lichtbildvortrag. Die Acht- und Neuntklässler honorierten das durch konzentriertes Zuhören – drei Stunden lang. Burgheims Vortrag sei „spannender als Unterricht“, wie Melanie Decker aus der 8b am Ende meinte.
Burgheim lieferte Geschichte und Geschichten aus erster Hand. So schilderte er anschaulich, wie seiner Schwiegermutter das Sprechen ihrer Muttersprache verboten worden sei. Er ließ die Schüler einen Satz in der Stammessprache der Yupik im Chor sprechen und sagte dann: „Dafür wäret ihr damals ins Gefängnis gekommen.“ Das beeindruckte.
Er biete keine Abenteuerromantik, stellte der Fotograf klar. Fast im Kontrast dazu standen jedoch die Naturaufnahmen, die Burgheim selbst angefertigt hatte: Bilder vom Yukon-River, von mannsgroßen Lachsen, Weißkopfadlern und Braunbären-Familien, sowie badenden Elchkälbern im Frühjahr. Und dann kommt doch der Abenteurer zum Vorschein, als er von seinen Begegnung mit Grizzly-Bären erzählte: „Stellt euch einen heranrauschenden ICE-Zug, dann wisst ihr, wie das ist!“
Die Vorstellung beeindruckte Hannah Hiepe aus der 9c scheinbar kaum. Sie könne sich „gut vorstellen, in der Wildnis zu leben“, sagte sie. Dies wäre wohl durchaus im Sinne Burgheims, der die staunenden Dreizehn- und Vierzehnjährigen ermutigte, sich ruhig selbst einmal in die heimischen Wälder zu wagen, wo freilich keine Grizzlys wohnen, aber es durchaus Interessantes zu entdecken gebe. Nur was man liebt, schützt man auch. Der Natur-Fotograf hofft deshalb, auch die Herzen seiner Zuschauer zu erreichen.
Nur durch direkten Kontakt mit der Natur, durch das besondere Gefühl, könne man erfahren, was durch die Entfremdung verloren gehe. Allerdings, so Burgheim, sei dazu gar keine Umweltzerstörung „nötig“: Videospiele und Computer stellen seiner Auffassung nach eine ähnliche Bedrohung dar. Denn bei jenen „virtuellen Welten“, so der Naturliebhaber, handele es sich ebenfalls um eine Art der Kolonisierung. Jugendliche würden heutzutage ähnlich unmündig gemacht wie früher die Eingeborenen Amerikas mit Alkohol.
Trotz seines streckenweise sehr ernsten Gestus, gelang es Burgheim immer wieder, auch mit Humor bei den Schülern zu punkten: „Ey, die Schuhe sind ja abgefahren", platzte es aus ihm heraus, als er das Gespräch mit der ersten Reihe suchte. Und schon hatte er auch wieder den Rest in seinem Bann.
Burgheim, offenbar gerührt über die ungewöhnlich hohe Aufmerksamkeit, lud die Schüler am Ende seines Vortrags ein, ihn doch einmal in Alaska zu besuchen. Ein Angebot, das offenbar gerne angenommen würde: gleich mehrere Schüler besorgten sich zumindest seine E-Mail-Adresse.
Wie mancher Zuhörer stellte auchSchulleiter Ingo Müller später fest, dass es eine gute Entscheidung war, Burgheim einzuladen. Selbst die „etwas komplizierteren“ Schüler bleiben auf ihren Stühlen sitzen. Wie Müller auch betonte, entspreche Burgheims Art der Vortragsweise durchaus dem pädagogischen Leitbild der Lenné-Schule, die ebenfalls stark auf Anschaulichkeit setze. In diesem Sinne wird der Schulleiter wohl positiv auffassen, was Karl Böhme aus der 8b über den Vortrag zu sagen hatte: dieser hofft mittlerweile, seine „Abschlussfahrt nach Alaska machen zu können.“ Claas Greite
Claas Greite
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