MITgefühlt: Ein bisschen ausruhen
Szenen in der Straßenbahn: „Jetzt ein bisschen ausruhen“, kündigt das kleine Mädchen mit dem honigfarbenen Haar, den mausgrauen Schuhen und der riesengroßen grünen Sonnenbrille an. „Und Vati, du sollst nicht auf zwei Sitzplätzen sitzen.
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Szenen in der Straßenbahn: „Jetzt ein bisschen ausruhen“, kündigt das kleine Mädchen mit dem honigfarbenen Haar, den mausgrauen Schuhen und der riesengroßen grünen Sonnenbrille an. „Und Vati, du sollst nicht auf zwei Sitzplätzen sitzen.“ Ob sie selbst einen Platz am Fenster oder ihrem Vater gegenüber belegen oder noch ganz woanders sitzen möchte? Sie kann sich nicht festlegen.
Es steigen zwei weitere Kinder mit ihrer Mutter ein und setzen sich mir gegenüber. Sie schauen mich an. Ich sage „Hallo“, doch keine der beiden antwortet und auch das Gesicht der Mutter bleibt verschlossen. Aber plötzlich lächeln mir die Kinder freundlich zu. Das Eis ist gebrochen. Dann steigen zwei ältere Damen ein und reden über die beiden Kinder, die sie so süß finden. Meine Gedanken schweifen ab.
Die Szene erinnert mich an eine Freundin, die eines Tages bemerkte: „Warum finden die Menschen kleine afrikanische Kinder so süß, wollen aber erwachsene Afrikaner am besten in die Ferne schicken? Wen sollen die Kinder dann als Eltern, Geschwister und Familie haben?“
Meine Gedanken kehren in die Tram zurück. Wir fahren an einem Plakat mit dem Werbungsspruch „Befreit“ vorbei.
Als ich am Ziel ankomme, sitzt eine Nachbarin vor dem Haus und genießt die Sonne. Ohne ein Wort auszusprechen, strahlt sie etwas aus, was einem direkt ins Herz geht. Die Umgebung kann wunderschön und sonnig, trübe oder grau sein. Sie kann so wechselhaft wie das Leben, wie die Realität oder eintönig wie manche Tage sein. Aber eine einfache Sache kann alles verändern, einem neuen warmen Schein verleihen: eine wirkliche Willkommenskultur, von der ja so oft die Rede ist. Und Sie kennen dieses Gefühl und die Botschaft: „Du brauchst dir keine großen Gedanken zu machen, genieße einfach den Augenblick. Es ist schön, dass es dich gibt, dass du hier bist. Lehne dich gemütlich zurück. Jetzt kannst du einfach ein bisschen ausruhen.“
Marianne Ballé Moudoumbou wohnt in Potsdam und arbeitet als Diplom-Dolmetscherin. Ende 2010 wurde sie von rund einer Million Berliner und Brandenburger mit Migrationsgeschichte stellvertretend gewählt, um die Interessen der Gesellschaft im RBB-Rundfunkrat zu vertreten.
Marianne Ballé Moudoumbou
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