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Landeshauptstadt: Ein einmaliger Vorgang

Beratungsaffäre: Jana Schulze gibt stellvertretenden Ausschussvorsitz ab – genießt aber Fraktionsvertrauen

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Das Verhalten Jana Schulzes ist „in keiner Weise zu rechtfertigen“, stellte Hans-Jürgen Scharfenberg gestern Abend in der Fraktionssitzung der Linken klar. Arbeitsrechtliche Konsequenzen für die Mitarbeiterin seines Wahlkreisbüros im Wohngebiet Am Schlaatz lehnte der Landtagsabgeordnete jedoch ab. Es habe sich um „einen einmaligen Vorgang“ gehandelt, eine vergleichbare Situation, wie sie durch die ZDF-Reporter hergestellt worden sei, habe es zuvor noch nicht gegeben. Scharfenberg glaubt, „Menschen sind lernfähig“, daher schließe er es aus, dass sich der Vorgang wiederholen werde. Auch müsse die Verfehlung ins Verhältnis gesetzt werden zur „engagierten sozialen Arbeit“, die Jana Schulze leiste.

Auslöser der Debatte war ein Bericht des Magazins „ZDF.reporter“ über Beratungsstellen in Berlin und Potsdam. Darin wurde verdeckt arbeitenden Reportern Leistungsbetrug empfohlen.

Die Stadtverordnete Jana Schulze selbst sagte, ihr sei in „Gesprächen in der Familie“ klar geworden, dass sie bei dem Beratungsgespräch am 2. November „einen Fehler“ gemacht habe. Als Konsequenz legte sie mit sofortiger Wirkung den stellvertretenden Vorsitz des Sozialausschusses nieder und stellte ihre Mitarbeit in dem Ausschuss generell zur Disposition, was die Fraktion ablehnte. Die Junge Union hatte gar die Rückgabe des Stadtverordneten-Mandats gefordert.

Aus der Fraktionsdebatte ging hervor, dass vielen in der Bewertung des Vorfalls zwei Herzen in einer Brust schlägt. Peter Kaminski erklärte, „wer viel arbeitet, kann auch mal einen Fehler machen“. Die Linke zeige seit vielen Jahren, dass sie lernfähig sei. Juliane Nitsche sprach davon, dass sich Jana Schulze „vergaloppiert“ und „verirrt“ hätte. Sie habe immer für die Leute gekämpft, das solle nun nicht völlig entwertet werden.

„Es ist ein Fehler gemacht worden“, findet auch Rolf Kutzmutz. Allerdings bleibe für ihn „Hartz IV die größte Scheiße“. Er akzeptiere die persönliche Entscheidung Jana Schulzes, den stellvertretenden Fraktionsvorsitz abzugeben, auch wenn er sie persönlich auch für falsch halte. „Wenn das Opfer geschlachtet ist, wird ein Neues gefunden.“ Fraktions-Nachwuchs Christian Wienert zitierte „als Historiker“ den wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus stark umstrittenen Staatsrechtler Carl Schmitt. Schmitt habe zwischen „legal“ und „legitim“ unterschieden, so Wienert. Jana Schulzes Handeln sei zwar nicht legal, aber legitim gewesen. Moritz Kirchner von der linken Jugend erinnerte daran, dass Hartz IV vom Bundesverfassungsgericht als „in Teilen verfassungswidrig“ eingestuft worden ist. Er kritisierte die „bürgerliche Scheinempörung“, die es nun gebe. Sigmar Krause sagte, „ein unsoziales Gesetz bekämpft man nicht, in dem man es unterläuft“.

Bewegend und sehr persönlich waren die Ausführungen der Stadtverordneten Brigitte Oldenburg: Ihre Schwester, die Arbeitslosengeld II bezieht, bekam von ihren Kindern zu Weihnachten 500 Euro für einen neuen Wintermantel und Winterstiefel geschenkt. „Dummerweise“, so die Stadtverordnete – das Wort „dummerweise“ sofort bedauernd – wurden die 500 Euro auf das Konto ihrer Schwester überwiesen. Da die Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Paga) bei neuen Hartz-IV– Anträgen immer auch Konto-Auszüge einsehe, muss ihre Schwester das Geld – obwohl schon ausgegeben – an die Agentur von ihrem Hartz-IV-Geld zurückzahlen. Sie habe Ratenzahlung zu 50 Euro pro Monat vereinbaren können, stehe aber dennoch vor der Frage, ob sie hungern oder heimlich putzen gehen soll. Brigitte Oldenburg: „Der Staat hat ein grausames, demütigendes Gesetz geschaffen.“

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