Aus dem GERICHTSSAAL: Ein fataler Gefallen
20-Jähriger bestreitet Tankbetrug / Einziger Entlastungszeuge sitzt in Haft
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Am 20. August vorigen Jahres soll Silvio S.* (20) um 16.44 Uhr in Großbeeren für 104 Euro getankt, die Rechnung allerdings nicht bezahlt haben. Gestern saß der Potsdamer wegen Betruges vor dem Jugendgericht. Sollte sich seine Version des Geschehens bewahrheiten, wäre sein Tun an Naivität kaum zu überbieten. Gunnar G.*, der einzige Entlastungszeuge, befindet sich in Haft. Demzufolge erreichte ihn die Ladung zur Verhandlung nicht an seiner Wohnanschrift. Die Polizistin Anja P. (39) – sie bearbeitete den vermeintlichen Tankbetrug – vernahm Silvio S. während des Ermittlungsverfahrens zu dem Vorwurf. Nach einem Vergleich mit dem Foto der Überwachungskamera war sie sich damals ziemlich sicher, den Täter vor sich zu haben. Der junge Mann äußerte sich bei der Polizei nicht. Im Zeugenstand hegte die Beamtin gestern allerdings „gewisse Zweifel“.
Vor Gericht bestritt der Lehrling, der gesuchte Betrüger zu sein. Er berichtete von einem Gefallen, den er seinem sehr viel älteren Kumpel Gunnar G.* erwies. Der soll ihn gedrängt haben, auf seinen Namen ein Auto anzumelden. „Gunnar wollte das Fahrzeug aufbauen und mit Gewinn weiterverkaufen“, so Silvio S. Er habe sich nichts Böses dabei gedacht und die Formalitäten erledigt. Die Kosten für die Zulassung habe der Kumpel getragen. „An dem besagten Tag habe ich Gunnar die Kennzeichen gegen 15. 15 Uhr in Drewitz übergeben. Danach bin ich zu meinen Eltern Kaffeetrinken gefahren. Kurz vor 16 Uhr war ich da“, erzählte der Angeklagte. „Wie soll ich eine Dreiviertelstunde später in Großbeeren gewesen sein?“ „Mein Mandant ist mit diesem Wagen kein einziges Mal gefahren“, ergänzte der Verteidiger. „Auch auf dem Weg zu Gunnar G. benutzte er sein eigenes Auto.“ Später sei ihm klar geworden, dass diese Gefälligkeit ein großer Fehler war. Silvio S. flatterte ein Bußgeldbescheid nach dem anderen wegen diverser Ordnungswidrigkeiten ins Haus. „Ich konnte die Polizei aber immer davon überzeugen, dass ich nicht der Fahrer war. Es saßen verschiedene Personen am Steuer. Manchmal war auch gar kein Blitzerfoto dabei“, berichtete Silvio S.
Am 3. September 2008 sei besagtes Fahrzeug dann endgültig an Gunnar G. als Halter übertragen worden.
„Eine gewisse Ähnlichkeit besteht schon zwischen dem Angeklagten und dem Bild der Überwachungskamera. Auch wenn die Haarpracht auf dem Foto voller aussieht“, gab die Jugendrichterin zu bedenken. Obwohl es „nur“ um 104 Euro gehe, müsse die Sache restlos aufgeklärt werden. Dazu sei es nötig, Gunnar G. aus der Haft vorführen zu lassen, um ihn zu hören. So wird die Verhandlung am 22. April fortgesetzt. (*Namen geändert.) Hoga
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