Sport: Ein Fluch und ein Segen
Henning Prüfer gilt als neue deutsche Hoffnung im Diskusring. Der Potsdamer lässt es indes ganz ruhig angehen
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Ohne Druck und ohne Blockade im Kopf machte Henning Prüfer die letzten Schritte in den Wurfring. „Das war einfach ein absolut befreiendes Gefühl, weil es endlich losging“, erzählt er später. Schließlich sei endlich der Moment gekommen, auf den er ein Jahr hin trainiert hat. Der Moment, in dem er allen zeigen wollte, was er kann. Auf den letzten Schritt und eine Drehbewegung folgten am vergangen Sonntag ein Diskuswurf über 64,18 Meter und der Vize-Weltmeistertitel bei den U20-Weltmeisterschaften in der Leichtathletik in Eugene.
„Silber ist für mich gleichzeitig aber auch ein Fluch und ein Segen“, sagt der 18-Jährige. Denn für Prüfer ist der Vize-Weltmeistertitel in der U20 nach der U18-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr bereits die zweite Silbermedaille bei globalen Meisterschaften. „Irgendwann fängt man schon an, die Silbermedaillen zu hassen“, erzählt der Diskuswerfer und Kugelstoßer des SC Potsdam. Bei einer Silbermedaille habe er immer das Gefühl, sie sei nur halb so viel wert wie die goldene. „Aber immerhin ist sie noch besser als gar keine Medaille“, freut er sich trotzdem über das Edelmetall.
Erst vor zwei Jahren hat der gebürtige Rostocker von der Sportschule in Neubrandenburg an den Potsdamer Luftschiffhafen gewechselt. Bis dahin habe der 2,01 Meter große Athlet hauptsächlich von seiner Kraft gelebt. „Hier in Potsdam hat es vor allem bei der Technik endlich klick gemacht.“ Denn schließlich komme es beim Diskuswurf auf die Verbindung von Kraft und Technik an. Die Körperhaltung, die Bein- und die Armführung müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein. „Es ist gar nicht so einfach, einen Diskus richtig in die Luft zu kriegen, sodass er gerade fliegt“, erklärt Prüfer.
Die gradlinige Bewegung beim Kugelstoßen, dem zweiten Steckenpferd des Sportschülers, sei hingehen eher von Kraft geprägt. Diese fehlte Prüfer in Eugene, wo er es lediglich auf einen – vor allem für ihn selbst enttäuschenden – elften Platz schaffte. „Bis dahin dachten wir eigentlich, wir wären unschlagbar.“ Doch auch für seinen Freund und Vereinskollegen aus Neubrandenburger Zeiten, Patrick Müller, reichte es nur zu Platz zwölf. Bei der letztjährigen U18-Weltmeisterschaft in Donezk (Ukraine) hatten die beiden Athleten noch für einen deutschen Doppelsieg gesorgt. „Aber die Luft nach oben wird vor allem international jetzt immer dünner“, meint Prüfer. Dies sei auch der Grund, warum sich er sich in nächster Zeit erst einmal nur auf den Diskus konzentrieren will. „Es ist einfach unglaublich hart, beides auf internationalem Niveau zu trainieren.“
Seit Henning Prüfer sich wegen seiner Größe und Kraft auf die Wurfdisziplinen spezialisierte, hat er mit dem Diskus und der Kugel immer gleichermaßen nach Bestweiten gestrebt. Deswegen sei ihm auch die Umstellung innerhalb eines Wettkampfes nie besonders schwergefallen. „Der Abschied von der Kugel ist schon ein wenig traurig, aber auch nur zeitweilig. Das heißt ja schließlich nicht, dass ich nie wieder in dieser Disziplin antrete.“ Die ernüchternde Leistung im Kugelstoßen von Eugene sei ihm lediglich ein Ratgeber gewesen, sich noch mehr auf den Diskus zu konzentrieren.
Mit 64,18 Metern hat Prüfer nicht nur seinen persönlichen Rekord mit dem 1,75 Kilogramm schweren Diskus verbessert, sondern auch das von ihm und seinem Trainer Jörg Schulte angestrebte Saisonziel von 61 Metern deutlich übertroffen. Aus solchen Ergebnissen könne er immer wieder Selbstvertrauen schöpfen. „Ich weiß, was ich kann, und neige eher zu Übertreibungen als zum Understatement“, sagt Prüfer. Doch schätzt er seine Leistungen ganz realistisch ein. „Später fragt kein Mensch mehr nach deinen Erfolgen in der Jugend, da kommt es nur noch drauf an, was man im Erwachsenenbereich erreicht hat.“ Bis dahin hat der 18-Jährige noch drei Jahre Zeit, Erfahrungen zu sammeln. Doch auch dieses Projekt will Henning Prüfer, der seine langen Haare als sein ganz persönliches Markenzeichen ansieht, ganz locker angehen. „Ich bewundere es, wenn Leute total fokussiert auf ihren Sport sind, meistens bringt ihnen das nichts, wenn sie dann im Wettkampf kopfmäßig total zumachen.“ Ihm selbst helfe eher eine gute Mischung aus viel Lockerheit und ein wenig harter Arbeit – bis zum Schmerz zu trainieren sei bisher noch nie nötig gewesen. „Dann bleibt schließlich noch etwas, auf das ich noch hinarbeiten kann.“ Mit harter Arbeit will er irgendwann auch den Silberfluch besiegen und daraus einen Goldsegen machen.
Chantal Willers
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