zum Hauptinhalt

PNN-Serie: Angekommen in Potsdam: Ein Fuß in der Tür

Der Syrer Charwan M. floh vor dem Krieg in seiner Heimat. In Potsdam will er nun als Architekt arbeiten. Den ersten Schritt auf diesem Weg hat der 29-Jährige bereits geschafft.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea oder Kamerun und hoffen auf ein besseres Leben in Deutschland. Doch in der Realität haben es die Flüchtlinge hier oft schwer – es gibt Probleme mit der Sprache, der Arbeitserlaubnis oder den neuen Nachbarn. Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten: Jeden Mittwoch stellen die PNN künftig eine Person vor, die zumindest ein Stück weit in Potsdam angekommen ist.

Potsdam - Wenn Charwan M. ein neues deutsches Wort lernt, schreibt er es auf, um es nicht wieder zu vergessen. Das neueste auf seiner Merkliste ist ziemlich lang, kompliziert und sehr deutsch: Denkmalschutz. Dieses Wort wird Charwan vermutlich in nächster Zeit noch oft gebrauchen. Denn der junge Syrer hat gerade ein Praktikum in einem Potsdamer Architekturbüro angefangen.

"Doch dann kam der Krieg und hat alles zerstört"

Geboren und aufgewachsen ist Charwan in Qamischli, einer kleineren Stadt im Nordosten Syriens. Für das Architektur-Studium ging der 29-Jährige nach Aleppo, und als er das Diplom hatte, fand er dort auch eine Arbeit, wie er erzählt. Doch nach einem Jahr musste Charwan alle Zelte in seiner Heimat abbrechen und fliehen. Was genau ihm und seiner Familie damals zustieß, will er nicht erzählen. Nur so viel: Er war in der syrischen Armee, deshalb darf in seiner Heimat niemand offiziell erfahren, wo er ist. Deshalb dürfen die PNN auch kein Foto von ihm machen, deshalb wird sein Nachname abgekürzt. Charwan sagt: „Wir sind eine gebildete Familie. Wir hatten unsere Arbeit, unsere Wohnung, unser Auto. Doch dann kam der Krieg und hat alles zerstört.“

Dabei hatte er im Vergleich zu manch anderem Flüchtling, der dieser Tage nach Deutschland kommt, sogar noch Glück. Denn vor einem guten Jahr wurde er als sogenannter Kontingentflüchtling nach Deutschland geholt, bekam sofort Visum und eine Arbeitserlaubnis. Zwei Monate lebte er im Flüchtlingswohnheim am Schlaatz, dann konnte er in eine eigene Wohnung in der Nähe ziehen. „Sie ist klein und sehr alt“, sagt Charwan. „Aber besser als das Heim.“

Eine Chance als Praktikant

Er belegte einen Deutschkurs und danach noch einen – bis eines Tages Michael Erbach den Kurs besuchte. Er betreut das Potsdamer Projekt Erfolgspaten, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Flüchtlinge auf Arbeitssuche und Arbeitgeber mit Fachkräftebedarf zusammenzubringen. Charwan sei ihm gleich aufgefallen, weil er freundlich war und sehr gut Deutsch sprach, sagt Erbach. Er nahm die Daten des Syrers auf und telefonierte ein paar Architekturbüros in Potsdam ab, bis Thomas Böhm schließlich zusagte. Als Teil der Potsdamer Böhm-Gruppe betreibt dieser ein Büro mit sieben Mitarbeitern und hatte ohnehin händeringend Personal gesucht, wie er heute sagt. „Aber ich hatte einfach keine Zeit, Bewerbungsgespräche zu führen. Dann kam der Vorschlag, Herrn M. für ein Praktikum einzustellen.“ Charwan kam zum Vorstellungsgespräch, Böhm sagte zu. Zunächst soll der Syrer als Praktikant bei Böhm Architekten arbeiten, dann bekommt er womöglich eine Festanstellung. Und auch wenn das nichts wird, ist die Erfahrung wichtig für Charwan. „Ich muss wissen, wie Architekten in Deutschland arbeiten, welche Materialien sie zum Beispiel benutzen.“ Nicht nur diese seien in seiner Heimat anders, auch der Baustil und erst recht die bürokratischen Vorschriften. „Es ist alles viel komplizierter hier.“

Charwan M. will in Potsdam bleiben

Ob Charwan sich im deutschen Architekturbetrieb behaupten wird, wird sich schnell zeigen – denn bei Böhm muss er von Anfang an ganz normal mitarbeiten. Gerade sollte er zum Beispiel das Foyer für das neue Flüchtlingsheim in der Straße An den Kopfweiden planen, das Böhm derzeit mit seinem Team umsetzt. Der Potsdamer Architekt ist zuversichtlich, dass Charwan schnell zurechtkommt. „Wenn er Fragen hat, stellt er sie, das ist bei uns ganz wichtig“, sagt er. Die gängigen Computerprogramme, die Architekten benutzen, beherrsche er auch, außerdem kann er – Deutsch mit eingerechnet – fünf Sprachen: Kurdisch, Arabisch, Türkisch und Englisch.

Auf die Frage, wie ihm die Deutschen begegnet sind seit seiner Ankunft vor einem Jahr, lächelt Charwan. „In jeder Kultur gibt es gute und nicht gute Menschen“, sagt er. Doch in Potsdam fühlt er sich mittlerweile wohl, hier hat er Freunde und Bekannte. Deshalb will er auch hierbleiben, hier einen Job finden. „Ich will nicht noch einmal von vorne anfangen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })