Homepage: Ein Generationswechsel
Forschungsunternehmen AnagnosTec arbeitet im Go:In an neuen Verfahren zur Diagnose von Krankheitserregern
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Seit März gibt es in Golm einen Brutkasten für junge Wissenschaftsunternehmen, das Golm Innovationszentrum (Go:In). Mittlerweile ist es mit 13 Firmen schon über 30 Prozent ausgelastet. Das Zentrum liegt unweit der Universität Potsdam sowie der Max-Planck- und Fraunhofer Institute. Die PNN stellen die Firmen vor, die dort ihre forschungsnahe Arbeit aufgenommen haben. Heute: AnagnosTec.
Angefangen hat alles vor elf Jahren an der TU Berlin. Massenspektrometrie war der letzte Schrei der Forschung. Doch an der TU gab es keine Mittel für die Anschaffung der teuren Geräte. Vier Wissenschaftler des Instituts für Chemie machten sich deshalb selbstständig und beschafften mit Fördermitteln ein Massenspektrometer. Als Dienstleister für die TU und in der Naturstoffforschung bauten sie sich eine Existenz auf.
Mittlerweile sitzen die nun zehn Mitarbeiter der Firma AnagnosTec im Golmer Innovationszentrum Go:In und sind auf dem Weg, mit ihrem Identifikationssystem Saramis die Diagnostik im klinischen Labor zu revolutionieren. Die Forscher fanden heraus, dass sie mit ihrer Software und den von einem japanischen Unternehmen produzierten Massenspektrometern auch Bakterien und Pilze erkennen und bestimmen können. Der Vorteil: Die bisher angewandte biochemische Identifikation der Mikroorganismen dauert vier bis 72 Stunden, während die Technik aus dem Hause AnagnosTec es in zwei Minuten schafft. „Die Ergebnisse liegen für den Arzt sofort vor und die Behandlung kann unverzüglich beginnen“, erläutert Geschäftsführer Stefan Sauermann. Das bringe etwa bei Blutvergiftungen einen Vorsprung von ein bis zwei Tagen. Was lebensrettend sein kann.
An der Uni Köln ist 2006 eine Vergleichsstudie erfolgreich abgeschlossen worden, in den größten deutschen privaten Laboren sind derzeit mehrere Geräte installiert und die Experten sind überzeugt, dass AnagnosTec die nächste Generation der Diagnostik erfunden und etabliert hat. „Wir sind sehr erfreut über die große Akzeptanz unserer Entwicklung, jetzt müssen die Fertigungskapazitäten erhöht werden“, so Sauermann.
Für den Durchbruch auf breiter Front konnte ein international starker Partner gewonnen werden. Die Kooperation mit den Japanern laufe sehr gut. „Unser Part ist inzwischen mehr als die Softwareentwicklung: Unser Know-how besteht darin, dass wir die täglichen Abläufe in einem Labor kennen und unsere Technik in die tägliche Routine einbauen“, so Sauermann. Der größte Vorteil besteht in der langjährig aufgebauten Datenbank, mit deren Hilfe die Bakterien bestimmt werden. Sie ist die Voraussetzung für den Erfolg der Technik. 98 Prozent der klinisch relevanten Keime werden schon heute sicher identifiziert. In kurzer Zeit will man sich dann 100 Prozent annähern. Zu diesem Zweck hatte AnagnosTec im September eine Expertentagung in Potsdam einberufen, die nun an der Weiterentwicklung arbeitet. „Ich bin stolz darauf, dass wir das geschafft haben“, bekräftigt Geschäftsführer Sauermann.
Dann wären da natürlich noch die bürokratischen Hürden. Die tiermedizinische Zulassung hat AnagnosTec schon, und der Einsatz bei den Marktführern in der Diagnostik ist möglich. Was noch fehlt, ist die Möglichkeit zur Abrechnung über die gesetzlichen Krankenkassen. Dies werde allerdings nicht lange auf sich warten lassen. Für die internationale Vermarktung hat Sauermann bereits einen Werbespruch auf Lager: „Das ist wie der Wechsel vom Grammophon auf einen MP3-Player.“
Hunger leiden muss das Unternehmen bis dahin allerdings nicht. Neben der Forschung läuft die Auftragsarbeit für andere Firmen und Einrichtungen weiter. „Unser Brot-und-Butter-Geschäft“ nennt es Sauermann. Auch im Go:In hat man Partner gefunden. Schon deshalb habe sich der Umzug von Luckenwalde nach Golm gelohnt, so Sauermann, der selbst seit 1996 in Potsdam wohnt. „Der Standort liegt verkehrsgünstig, weil wir viele Partner im Westen haben.“ Ohnehin saßen die Programmierer seit längerem in Golm. Als Sauermann dann in der Zeitung von den Plänen für das Go:In las, war der Umzug rasch beschlossen. Im Oktober 2006 war die Firma der erste Mieter.
Auch an weiteren Innovationen arbeitet AnagnosTec, etwa an der Beschleunigung der vorbereitenden Laborarbeit. Bisher muss aus den Blut- oder Urinproben über Nacht eine Zellkultur gezogen werden, die am nächsten Tag untersucht wird. „Wir wollen die Kulturen überflüssig machen und gleich aus den Patientenproben unsere Analysen machen“, so Sauermann. Das würde die Analyse noch einmal um einen Tag verkürzen. Ein zweites Feld ist die Bestimmung der Resistenz der Keime. Das könnte vor allem die Krankenhaus-Hygiene entscheidend verbessern und die Sicherheit der Patienten vergrößern. Sauermann denkt an ein Eingangsscreening bei Patienten. Findet man dabei etwa resistente Staphylokokken, könnte der Erkrankte sofort in Quarantäne gebracht werden.
Bodo Baumert
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