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Aus dem GERICHTSSAAL: Ein halber Kasten Bier zum Frühstück

Trinkkumpan geschlagen und getreten / 400 Euro Strafe für Obdachlosen

Stand:

„Vielen Dank, Frau Richterin. Ich gehe jetzt erst mal ein Bier trinken“, freut sich Wilfried W.* (48) über die moderate Strafe von 400 Euro. Die kassierte der Alkoholiker, weil er am 3. Mai vorigen Jahres seinen Trinkkumpan Otto O.* in der Wohnung eines Bekannten in der Ahornstraße verprügelte und mit Füßen auf ihn eintrat. Der Staatsanwalt ging anfangs noch davon aus, dass Wilfried W. den Mann auch seiner Freiheit beraubte, indem er ihn auf den Balkon sperrte. Doch das – so ergab die Beweisaufnahme – war ein anderer Gast der Sauforgie.

„Heute sind Sie auch nicht gerade nüchtern“, mutmaßt Amtsrichterin Kerstin Nitsche zu Prozessbeginn. „Können Sie der Verhandlung überhaupt folgen?“ Wilfried W. – ohne festen Wohnsitz, vorbestraft wegen diverser Diebstähle, Schwarzfahrens und Trunkenheit im Verkehr – nickt. Er habe zwar zum Frühstück schon etliche Bierchen gezischt, doch die würden bei seinem Tageskonsum von zwei Kästen nicht ins Gewicht fallen. Wilfried W. versteht sich als Kavalier, der es „nicht verträgt, wenn man eine Frau schlägt“. Als er von einer Bekannten namens Susanne S.* erfuhr, sein Kumpel Otto O. habe sie verhauen, wollte er ihre Ehre wiederherstellen, sei am nächsten Tag in der betreffenden Wohnung aufgetaucht. Dort hätten bereits mehrere Leute – unter ihnen Otto O. – gesessen und getrunken. „Ich habe ihm drei Backpfeifen gegeben, als er auf dem Sofa saß. Da ist dem gar nichts passiert“, beteuert der Angeklagte leicht lallend. So richtig zugedroschen habe dann Susanne S.*

„Ich habe Wilfried im Vertrauen erzählt, dass Otto mich geschlagen hat“, erzählt Susanne S. (23) im Zeugenstand. „Da hat er ihm am nächsten Tag ein paar auf die Klappe gegeben. Ich wollte das aber nicht.“ Das nimmt ihr der Staatsanwalt nicht ab. „Klar haben Sie gewusst, dass er ihm eine Abreibung verpasst“, konstatiert er. Die Zeugin gibt zu, sie habe geahnt, „dass das Zoff gibt“. „Otto ist dann auf den Balkon geflüchtet. Ein Mann, der mit Wilfried gekommen ist, hat ihn ausgesperrt. Otto rief um Hilfe. Irgendwann kam die Polizei“, schildert Susanne S. die Ereignisse. „Ick habe an dem Tag nischt jetrunken, weil ick keenen Durscht hatte“, behauptet Otto O. (46) „Und verprügelt habe ick Susanne ooch nich. Aba ick war nach den Schlägen bewusstlos.“ „In diesen Kreisen schlägt man sich und verträgt sich wieder. Anschließend wird weitergetrunken“, resümiert Verteidiger Hans-Jürgen Kernbach. Der Staatsanwalt gibt dem Angeklagten mit auf den Weg. „Trinken Sie in Ruhe Ihr Bier, aber lassen Sie andere Leute in Frieden.“ „Mach ich“, versichert Wilfried W. (*Namen geändert.) Hoga

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