
© Klaus-Dietmar Gabbert
Landeshauptstadt: Ein Haus zum Sterben
Im stationären Hospiz auf der Insel Hermannswerder werden Menschen auf ihren Tod vorbereitet – jenseits der Routine
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Ein Mensch ist gestorben. Vor der Tür des Zimmers im Potsdamer Sterbehospiz arrangieren die Pfleger Blumen, Stoffe und ein Windlicht. Im lichtdurchfluteten Gang des Neubaus scheint die Kerze gegen die Sonne anzukämpfen.
Freundlich und hell ist das orangefarbene Haus auf der Insel Hermannswerder. Die Rituale wie das Anzünden des Lichts seien wichtig, sagt Hospizleiterin Carmencita Rupprecht. „So laden wir Freunde und Familie ein, sich zu verabschieden.“
Die Menschen sind meist Patienten, wenn sie zu Rupprecht kommen. Viele haben lange Aufenthalte in Kliniken hinter sich und leiden unter Schmerzen. Im Hospiz werden sie zu Gästen. Dort sollen die letzten Lebenstage in Würde verbracht werden. In der brandenburgischen Landeshauptstadt gibt es eine solche stationäre Einrichtung erst seit wenigen Monaten. Die Expertise kommt vom evangelischen Diakonissenhaus, das bereits langjährige Erfahrung mit einem Sterbehospiz in Lehnin hat.
„Routine gibt es in einem Hospiz nicht“, sagt Rupprecht. „Jeder Tag ist neu, jeder Tag ist wichtig für die Gäste.“ Deshalb seien die Pfleger und Betreuer bestrebt, den Sterbenden möglichst viel Individualität zu gewähren. Die Gäste dürfen selbst entscheiden, wie sie ihren Tag verbringen, wann Besuch kommt oder was sie essen. „Doch nicht jeder Tag ist ein guter“, sagt Rupprecht. Viele Menschen kommen erst sehr spät ins Hospiz und verbringen dort nur eine kurze Zeit. Manche seien nur einen Tag da gewesen, erzählt sie.
„Die Verweildauer hat sich in den letzten Jahren extrem verringert“, erzählt die Sozialarbeiterin Yvonne Köllner. Im Schnitt blieben die Menschen zehn Tage. Dies sei insbesondere auf eine verbesserte ambulante Versorgung zurückzuführen, erklärt Köllner. Für das Hospiz ergebe sich aber die Schwierigkeit, sich angemessen auf die neuen Gäste einzustellen. „Es ist eine schwierige Abwägung“, meint Köllner. „Das Zuhause können wir hier auch nicht ersetzen.“
Seitdem das Hospiz Mitte April eröffnet wurde, sind knapp 50 Menschen hier gestorben. Die Einrichtung verfügt über neueste medizinische Technik, die vor allem zur Schmerzlinderung eingesetzt wird. Ärzte, Physiotherapeuten und eine Pfarrerin sind oft vor Ort. Einige Gäste bringen selbst kleine Möbelstücke, Bilder oder Musik mit. Viele wollen ihr Bett zum Fenster drehen – damit sie einen freien Blick auf das Wasser der Havelseen haben.
Mit dem Tod eines Gastes sei die Arbeit der Pfleger und Sozialarbeiter nicht zu Ende, erzählt die Leiterin Rupprecht. Dann verschwinde alles, was nach Krankenhaus aussieht, aus dem Zimmer des Verstorbenen. Der Gast wird angekleidet und zur Aussegnung aufgebahrt. „Wenn die Angehörigen das Hospiz betreten, sind wir da“, erzählt Rupprecht. Die Trauerbegleitung nehme einen hohen Stellenwert in der täglichen Arbeit der Einrichtung ein.
Einige der Hinterbliebenen besuchen auch die „Trauercafé“ genannten Gesprächsrunden, die die evangelische Hoffbauer-Stiftung in Babelsberg anbietet. „Manche kommen unmittelbar nach dem Tod des Angehörigen, viele aber auch, wenn sich der Todestag jährt“, erzählt die Leiterin des „Trauercafés“, Heike Borchardt. Die Gruppe sei jedem offen, praktisch ein Ort mit Selbsthilfecharakter. Dort könnten die Menschen frei von ihren Erfahrungen erzählen.
„Das stationäre Hospiz ist ein neues, großes Glied in der Kette der Angebote für sterbende Menschen und ihre Angehörigen“, erläutert Rupprecht. Die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen in Potsdam verlaufe sehr eng. Einen großen Teil davon bestreiten Ehrenamtliche, die sich oft an mehreren Angeboten beteiligen. Sie sind Ansprechpartner für Probleme im Alltag, pflegen die vielen Blumen im Hospiz oder gehen mit den Gästen spazieren. Auch dank der engagierten Leute könne eine hohe Lebensqualität für die Menschen im Hospiz sichergestellt werden, erklärt Rupprecht. „Die Potsdamer Ehrenamtlichen sind eine unheimliche Bereicherung“, sagt sie.
Luise Poschmann
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